Berlin. Der Dreiteiler „Ku’damm 59“ bringt den Rock ‘n’ Roll zurück ins ZDF. Sonja Gerhardt ist für diese filmische Zeitreise „sehr dankbar“.

Sonja Gerhardt ist im April 1989 geboren. Da war die Mauer schon fast auf dem Weg in die Geschichtsbücher, die sie später in der Schule zu lesen bekam. Und die sie dann nicht besonders interessiert haben – zu trocken, nicht greifbar. Die Teilung Deutschlands und Europas, das, was dem voranging: Es hatte mit dem Leben der jungen Schauspielerin nichts zu tun. Aber Sonja Gerhardt ist Zeitreisende geworden. Ab Sonntag läuft im Fernsehen das Ergebnis ihrer jüngsten Reise: „Ku’damm 59“.

In der Fortsetzung der ZDF-Familiensaga „Ku’damm 56“ rund um die Berliner Tanzschule Schöllack sind die Schwestern Monika (Sonja Gerhardt), Helga (Maria Ehrich) und Eva (Emilia Schüle) drei Jahre älter, zwei von ihnen sind verheiratet, eine ist Mutter – allerdings ausgerechnet die Unverheiratete.

Hochschwanger wird Monika von der Mutter an der Haustür abgewiesen. Die Schande schadet dem Geschäft. „Das ist schon ex­trem, ich möchte das nicht selbst erleben, was Monika mitmachen muss“, sagt Sonja Gerhardt beim Interview in den Berliner Räumen des ZDF. „Auch, dass ihr ihr Kind weggenommen wird, nur, weil sie keinen Mann an ihrer Seite hat. Man kann sich kaum vorstellen, dass das früher normal war.“

Für Sonja Gerhardt spielt die Frage nach Ost und West keine Rolle

Sonja Gerhardt als Monika Schöllack in „Ku’damm 59“.
Sonja Gerhardt als Monika Schöllack in „Ku’damm 59“. © ZDF und Stefan Erhard | ZDF/Stefan Erhard

Gerhardt ist „sehr dankbar“, dass sie frühere Zeiten „nachspielen“ kann – wie ja auch in „Deutschland 83“, dessen Fortsetzung im Herbst bei Amazon Video zu sehen ist. Fürs Geschichtsverständnis sei das besser als Schulbücher, findet sie. Eine dritte Staffel „Ku’damm“ würde der Logik nach 1962 spielen. „Da steht ja dann bereits die Mauer“, sagt sie, „ich bin gespannt, was sich die Autorin dazu einfallen lässt.“

Sie werde übrigens bis heute gefragt: „Ost oder West?“, wenn sie sage, sie komme aus Berlin – aber nur von „älteren Leuten“. In ihrer Generation spiele das überhaupt keine Rolle mehr. Für die Älteren: Sie ist im Westteil aufgewachsen und lebt heute im Ostteil der Stadt.

Sonja Gerhardt hatte fast täglich Tanztraining

Als Monika spielt sie die rebellische der Schwestern, die, deren Ventil der Rock ‘n’ Roll wird. Gerhardt hat elf Jahre, anfangs war sie gerade mal fünf, im Kinderensemble des Berliner Friedrichstadt-Palasts getanzt. Tanzen konnte sie also, aber der Rock ‘n’ Roll war ihr neu. Anderthalb Monate hat sie sich intensiv vorbereitet. „Ich hatte fast jeden Tag Tanztraining und habe von meiner Tanzlehrerin auch sehr viel über die damalige Zeit erfahren, über den Rock ‘n’ Roll, das Lebensgefühl.“

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Die Gesichter von „Ku’damm 59“: Trystan Pütter, Sonja Gerhardt, Claudia Michelsen, Maria Ehrich und Sabin Tambrea (links nach rechts).
Die Gesichter von „Ku’damm 59“: Trystan Pütter, Sonja Gerhardt, Claudia Michelsen, Maria Ehrich und Sabin Tambrea (links nach rechts). © dpa | Gregor Fischer

m in die alte Zeit einzutauchen, würden Kostümproben schon helfen, sagt sie. „Dann kommt man ans Set und kann die ganzen detailgetreuen Dinge von früher ansehen. Das ist total spannend.“ Auch wenn sie in Schlafzimmern mit „diesen alten dunklen Riesenklötzen“ (also den Kleiderschränken) nicht wohnen wollte.

Die sehr limitierte Rolle der Frauen, die Nachkriegszeit unter traumatisierten und/oder schuldbeladenen Menschen, der weiterhin schwelende Antisemitismus, der Wunsch, den Krieg zu vergessen: Davon erzählen Autorin Annette Hess und Regisseur Sven Bohse auch in den neuen Folgen.

„#MeToo“-Thema auch in „Ku’damm 59“ präsent

Vieles hat sich seit den 50ern verändert, aber eine bereits im August gedrehte Szene bekommt durch die „#MeToo“-Debatte aktuelle Brisanz: Monika zieht es ins Filmgeschäft – und ein älterer Regisseur wird ihr gegenüber sexuell übergriffig. „Das ist für Monika ein dunkler Moment, und für jede Frau, für jeden Menschen, dem so etwas passiert“, sagt Gerhardt.

Ihre Empörung ist unüberhörbar. „Sein Verhalten ist ein Unding. Als ich die Szene gespielt habe, fand ich das sehr unangenehm und wollte, dass es ganz schnell vorbeigeht.“ Die Klarheit von heute: Übergriffe sollte niemand ertragen müssen, auch nicht im Verborgenen. Punkt.

Dass Reisen in die Vergangenheit einmal Teil ihres Berufs sein würden, konnte sie weder ahnen noch planen. Dass sie aber Schauspielerin werden wollte, wusste Sonja Gerhardt, solange sie denken kann. „Schon als die Lehrer in der Grundschule gefragt haben, was wollt ihr denn mal werden, hab ich immer gesagt: Schauspielerin.“ Dafür sei sie ausgelacht worden. Das weiß sie noch. Aber es hat sie nicht daran gehindert zu werden, was sie immer sein wollte.

• Sonntag, Montag und Mittwoch (18., 19. und 21. März), jeweils 20.15 Uhr, ZDF: „Ku’damm 59“