Berlin. Jan Böhmermann hat wieder einmal Fake und Realität verschwimmen lassen: Ein „Reichspark“ sollte die Nazi-Zeit zum Freizeitspaß machen.

„Nazi-Park“ sei ein hässlisches Wort, sagt der Projektentwickler zu Jan Böhmermann. Der Mann, der vom 52 Hektar großen Park beim brandenburgischen Fürstenwalde mit „Warland“, „Alt-Berlin“ und KZ-Bereich schwärmt, will es „historischer Erlebnispark mit dem Schwerpunkt Nationalsozialismus“ nennen. Das ist nur ausgedacht. Böhmermann hat wieder einmal Fake und Realität verschwimmen lassen, um mit einem „Reichspark“ drastisch eine mögliche Wende bei Erinnerungskultur vorzuführen.

Böhmermanns Team hatte nicht nur Webauftritt des Unternehmens, eine Präsentation und Modell des Parks gefälscht. Auf der Freizeitpark-Messe „Euro Attractions Show 2017“ war die vermeintliche „HG-Businessconsulting“ auch tatsächlich mit einem Stand und ihrem vermeintlichen Chef „Raphael Gamper“ vertreten. Auf die angeblich in Aussicht stehenden Hunderte Millionen Euro als Investition in Ostdeutschland sprangen auch Politiker und andere Unternehmen an, wie der Beitrag zeigte.

AfD-Politiker soll Ausstrahlung untersagt haben

Zu einem Treffen kam es einem Bericht des rechts-populistischen Internet-Blogs Jouwatch zufolge auch mit dem AfD-Politiker Thomas Jung, stellvertretender Fraktionsvorsitzender in Brandenburg. Jung sei aber schockiert gewesen von der Idee und habe erinnert „an die verheerende Geschichtsklitterung, die durch einen solchen Themenpark entstehen würde“. Jung habe eine Unterlassungsaufforderung geschickt, dass keine der Szene geschnitten ausgestrahlt werden dürfe. Deshalb lässt sich der Text nicht überprüfen. Eine Stellungnahme der AfD-Landtagsfraktion ist angefragt.

In den Beitrag hatte das „Neo Magazin Royale“ aber frühere Aussagen der AfD-Politiker Björn Höcke, Alice Weidel und Alexander Gauland geschnitten, in denen die sich für einen anderen Umgang mit der deutschen Geschichte stark machen.

Böhmermann hatte über Idee schon gesprochen

Den vermeintlichen Projektentwickler, den Schauspieler Piet Fuchs, zitiert das Magazin mit dem Satz, ihm sei es lieber, „dass man über ein freudiges Erlebnis in eine Diskussion kommt, wie gehe ich mit diesem Teil der Geschichte um, als dass ich es nur denen überlasse, die sagen, der Scheiß interessiert mich nicht“. Manchen Zuschauer kam die Idee zu dem Nazi-Park vertraut vor, weil Böhmermann schon in seinen Formaten „Sanft und Sorgfältig“ und „Fest und Flauschig“ darüber gesprochen hatte.

Das vermeintliche Projekt auf der Seite der frei erfundenen „HG-Businessconsulting“.
Das vermeintliche Projekt auf der Seite der frei erfundenen „HG-Businessconsulting“. © Screenshot/Neo Magazin Royal | Screenshot/Neo Magazin Royal

In der Sendung zeigten Einspieler, dass die Ideen nicht völlig abwegig sind. Das Vernichtungslager Auschwitz gibt es als „Virtual Reality-Reise“, in Lettland können sich Gäste bei Junggesellenabschieden in einem früheren sowjetischen Gefängnis schikanieren lassen und „Flucht vor der UdSSR“ spielen. In England beim Pickering Wartime Weekend, das in die 40er-Jahre führt, fragte Böhmermann einige der am „Re-Enactment“, also am Nachspielen Beteiligten, was denn sei, wenn echte Nazis so etwas missbrauchten, um ihre Liebe zum Nationalsozialismus offen auszuleben. Darauf würde geachtet, war die Antwort.

Historiker: „Grauenhafte Idee“

Böhmermann liefert auch eine Antwort auf die zwischenzeitlich von ihm aufgeworfen Frage, ob so ein Projekt „eine gut gemeinte, aber am Ende doch ziemlich beschissene Idee oder bloß Ausdruck einer zeitgemäßeren Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte“ ist. Constantin Goschler, Dekan der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, sagt: „Das ist grauenhaft, weil es Nationalsozialismus nur als bisschen gruselige aufgeladene Hintergrundkulisse benutzt, um aller Welt Vergnügungen darauf zu projizieren und dann in sehr beliebige Eventkultur einspeist.“

Der Professor kommt auch in der Sendung zur Frage zu Wort, warum Forderungen nach einem Ende der jetzigen Erinnerungskultur laut werden: „Weil es weh tut. Das ist so etwas wie eine narzisstische Kränkung, wird an etwas erinnert, was das Selbstwertgefühl beschädigt.“

Böhmermann postet Foto von Ur-Großvater als Soldat

Böhmermann führte die Diskussion nach der Sendung auf eine weitere Ebene, als er ein Foto seines Ur-Großvaters postete, der vier Jahren in Sibirien gefangen gewesen sei als Mitglied einer Wehrmachts-Kapelle. „Ironisch griff er die Gauland-Aussage auf, die Deutschen hätten das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen: „Ich bin so stolz.“ In den Reaktionen gehen etliche Twitterer auf die Rolle ihrer Großväter und Urgroßväter ein.

Der Beitrag in der Mediathek: Neo Magazin Royale vom 16. November.