Essen. Das ZDF setzt Ferdinand von Schirachs „Schuld“-Storys fort. Doch es ist nur brave Schurkenkost und leider allzu bieder inszeniert.

Wo entspricht das Gesetz der empfundenen Moral und wo nicht? Was ist der Unterschied zwischen gesetzlicher und moralischer Schuld?

Es sind komplexe Fragen, die Bestsellerautor Ferdinand von Schirach mit seinem Erzählband „Schuld“ aufwirft. Produzent Oliver Berben hat ein weiteres Mal fürs ZDF nach den Fällen aus der Justiz gegriffen. Und er hat es mit einem vollmundigen Versprechen getan, das man als Drohung auffassen darf. „Mit noch höherem Schauwert“ sollen die vier neuen Episoden die Zuschauer beglücken.

So ist es gekommen, keineswegs zum Vorteil des literarischen Vorbilds. Wenn das einsame Freilandsofa im schicken Großstadtgarten den Lauf der Zeit illustriert, wenn in perfekter Werbeästhetik (Kamera: Wolf Siegelmann) erst die Blätter fallen und später die Flocken, dann könnte derart polierte Putzigkeit auch die Vorteile langfristigen Bausparens bebildern.

Eine schrecklich angenehme Adaption

Freilich steht das im denkbar größten Gegensatz zum Verhandelten. Das war und ist ja das bestechende Kapital von Schirachs knapper Prosa: Das Monströse, das dem Strafverteidiger das Berufsleben in die Feder diktierte, kleidete er in größtmögliche Schlichtheit. Hannu Salonens Regie aber setzt in konventioneller Krimi-Routine („Commissario Laurenti“, „Der Kriminalist“) auf tragische Schönheit als Abendunterhaltung. Ob wir mit ansehen, wie ein kleines Mädchen (Folge 1: „Kinder“) zum Teufel wird und einen unschuldigen Mann für Jahre ins Gefängnis bringt.

Ob wir in „Anatomie“ (Folge 2) Zeuge werden, wie ein todbringender Autounfall im echten Wortsinn einen Triebtäter aus dem Verkehr zieht: Selbst die hässlichsten Abgründe leuchten diese ZDF-Adaptionen noch in sanftem Schein aus. Das Klavier tupft ein paar Schicksalsakkorde dazu. Es sind Schrecklichkeiten, die schrecklich angenehm verabreicht werden.

Glaubwürdig ist Moritz Bleibtreu keine Fernsehminute

Daran ändert auch Moritz Bleibtreu nichts. Er spielt Friedrich Kronberg – Anwalt auf Edelparkett, schön wie aus der italienischen Kaffee-Werbung – mal als Ausbund von Mitgefühl, dann den staunenden Mandanten professoral die Welt erklärend. Glaubwürdig ist das keine Fernsehminute. Bleibtreu stelzt durch den Text, eratmet sich mühsam Wichtigkeiten, manches grenzt an Parodie.

Um ihn herum hat man durchaus hochpreisig besetzt: Martin Brambach, Jürgen Vogel und Lars Eidinger geben sich in den an vier Freitagen ausgestrahlten „Schuld“-Geschichten die Ehre. Auch sie retten kaum die vertane Chance, das Unmenschliche als trockene, messerscharfe Skizze zu porträtieren, statt den bunten Pathos-Pinsel zu schwingen.

Apropos: Oliver Berben zeigt erwartbar Herz für Mutter Iris. Die gibt mit Strickjäckchen und zagendem Oberlippenbeben ein Spießermuttchen nah am „Sketchup“-Terrain. Vier Wochen lang hätten die Deutschen freitags das schlimme, hässliche Leben sehen können. Hätten. Doch aus den Fällen wird ein Fall fahrlässiger Verwurstung.

Fazit: Brave Schurkenkost. Am Thema vorbei inszeniert

ZDF, ab dem 15. September, 21.15 Uhr (alle vier Folgen von „Schuld“ sind in der ZDF-Mediathek zu sehen)