Berlin. Bei Sandra Maischberger ging es beim Thema Euro- und Flüchtlingskrise ordentlich zur Sache. Ein Ex-Minister zickte ziemlich herum.

„Sie können die Diskussion gerne unter sich alleine weiterführen.“ Etwa zur Halbzeit des Maischberger-Talks am späten Mittwochabend in der ARD scheint Yanis Varoufakis, ehemals griechischer Finanzminister, zu resignieren. Um ihn herum reden sie alle über Griechenland: Warum es nicht bergauf geht. Wieso ein drittes Hilfspaket keine Lösung ist. Was man stattdessen tun sollte. Varoufakis will etwas einwenden, doch er hat Sandra Maischberger schon zu oft unterbrochen. Die Moderatorin bleibt jetzt hart. Der Rest darf weiterdiskutieren - und der Zuschauer merkt: Die Probleme sind inzwischen viel zu komplex, als dass man sie in einer politischen Talk-Show verständlich rüberbringen könnte. Von gemeinsame Lösungen zu finden, ganz zu schweigen.

„Erst Eurokrise, jetzt Flüchtlingsstreit – Wieder Ärger mit Griechenland?“, wollte Sandra Maischberger in ihrer Talk-Runde wissen, die wegen des DFB-Pokals später als üblich ausgestrahlt wurde. Auch ihre Aufstellung versprach reizvolle Auseinandersetzungen, hatte Maischberger doch neben Varoufakis auch den FDP-Parteivorsitzenden Christian Lindner, die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, den CDU-Europa-Abgeordneten Elmar Brok und den stellvertretenden „Bild“-Chefredakteur Nikolaus Blome geladen.

Maischberger wirkt teilweise überfordert

Tatsächlich ging es mitunter heftig zur Sache. Erst behakten sich Maischberger und Varoufakis wegen eines angeblich falschen Zitats („Dass Berlin das Zentrum allen Übels ist, habe ich nie gesagt“), dann kritisierte Griechenlands Ex-Finanzchef ihre Fragen („Wollen wir nicht lieber über die Dinge reden, die wirklich wichtig sind?“), um später immer wieder einzuwerfen, Blome und Brok würden die Fakten nicht kennen. Die Verzögerung durch die Übersetzung trug ihr Übriges dazu bei, dass man die ausgetauschten Argumente teilweise kaum verstehen konnte. Ein Ordnungsversuch.

These 1: Griechenland Kredite zu geben, war falsch

„Einem Land, das pleite ist, den größten Kredit der Menschheitsgeschichte aufzuladen – das kann doch nicht laufen“, motzte Varoufakis. Denn das führe nur zu weiteren Schulden und zerstöre die Fähigkeit des Staates, sich selbst aus der Situation zu befreien. Stimmt nicht, meinte CDU-Mann Brok, die Reformen hätten auch auf Strukturveränderungen abgezielt. „Damit sollte Griechenland wieder wettbewerbsfähig werden. In Spanien, Irland und Portugal hat das auch funktioniert.“

These 2: Wenn es woanders funktioniert, muss es an Griechenland liegen

Das Problem sei doch, dass die Griechen die Reformen gar nicht erst umgesetzt hätten, so Brok. Varoufakis erklärte, woran das liegen könnte: „Das Maß der Sparpolitik ist bei uns sieben- bis achtmal schärfer.“ Und Linken-Fraktionschefin Wagenknecht warf ein: „Das ist doch eine Legende, dass es in allen anderen Ländern gut funktioniert. In Irland sind die Menschen viel ärmer als vor der Krise und in Portugal und Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit enorm groß.“ Ein hausgemachtes Problem, fand Brok: „Das Berufsbildungssystem ist dort einfach falsch.“

These 3: Jetzt hilft nur noch der Schuldenschnitt

„Der Punkt ist doch: Jeder weiß, dass das aktuelle Sparprogramm nicht funktioniert, dass die Griechen es selbst nicht wollen und der Internationale Währungsfonds glaubt auch nicht dran“, bilanzierte FDP-Chef Lindner, daher sollte man sich ehrlich machen und die Kredite nicht als Kredite sehen, sondern als das, was sie tatsächlich seien: Strukturhilfe. Sein Vorschlag: Erstens Schuldenerleichterung, zweitens Grexit aus dem Euro, damit für Spanien und Co. keine Anreize entstünden, drittens Verbleib in der EU, um weiter Strukturhilfen bekommen zu können.

These 4: Wegen der Flüchtlingskrise wird es keinen Grexit geben

„Ich glaube auch, dass Griechenland mehr Chancen außerhalb des Euros hätte“, sagte Journalist Blome, „aber das wird nicht passieren, weil es die Flüchtlingskrise gibt.“ Hier hatte es jüngst Kritik gehagelt, weil Griechenland die EU-Außengrenzen nicht vernünftig sichern würde. Ist das womöglich Kalkül? Erpressung gar? Nach dem Motto: Wir sichern die Grenze nur gegen weiteres Geld? „Wenn es Erpressung sein sollte, schießt sich Griechenland direkt in den eigenen Fuß“, so Blome. Denn würde Deutschland die Grenze schließen, gäbe es einen Rückstau bis dorthin.

These 5: Merkels Grenzöffnung war der klügste Moment 2015

Während sich in Deutschland die kritischen Stimmen mehren, hat Varoufakis lobende Worte für Angela Merkels Politik der offenen Grenze, insbesondere auch für ihre Einladung vom September: „Das war der klügste Moment 2015. Eine Geste des Humanismus, die Grenzen zu öffnen. Da war ich sehr stolz auf Europa und auf Deutschland.“ Doch nun zeigen sich viele Länder nicht solidarisch und wollen keine oder nur sehr wenige Flüchtlinge aufnehmen. Für Maischbergers Gäste – und da war man sich mal weitgehend einig – liegt das vor allem am politischen System der EU.

These 6: Die EU funktioniert nicht mehr

„Die Krisen sind heute so vielfältig, dass die Menschen das Vertrauen verloren haben, dass sie überhaupt einer lösen kann“, so Brok, „aber es geht nicht ohne Europa.“ Wagenknecht: „Die EU tut aber auch alles dafür, dass sie Vertrauen verliert.“ Was also tun? „Wir müssen die Institutionen demokratisieren“, sagte Varoufakis, der einen Tag zuvor in Berlin seine neue Bewegung DIEM25 („Democracy in Europe Movement, 2025“) vorgestellt hatte.

Dort forderte er unter anderem, dass alle Treffen der wichtigsten EU-Gremien live im Internet übertragen werden, dass alle Dokumente abrufbar sind und das Europäische Parlament gestärkt wird. Bei Maischberger musste er es knapper halten: „Vielleicht schaffen wir über die Demokratisierung eine Europäisierung und können damit die Probleme lösen.“