Essen. Der TV-Film „Unter der Haut“ befasst sich mit dem Bluter-Skandal der Achtzigerjahre. Hunderte waren mit dem HI-Virus infiziert worden.

Dieser Film hat eine Vorliebe für Flüssigkeiten. Er verpasst keine Gelegenheit, sie in fast jeder Erscheinungsform zu zeigen: Als spiegelnde Wasseroberflächen. Als Medikament in der Ampulle. Als ins Glas laufendes Getränk. Als Inhalt eines Schwimmbeckens. Und natürlich als Blut. Es fließt durch Schläuche. Es bildet Tropfen an der Spitze einer Injektionsnadel, bevor es sich im Innern der Spritze mit ihrem Inhalt mischt. Die Kamera kriegt nicht genug davon.

Denn um Blut geht es in „Unter der Haut“. Am Tag nach dem Welt-Aids-Tag erinnert das von Volker A. Zahn und Eva Zahn geschriebene Drama an einen der größten Skandale der deutschen Medizingeschichte: die Ansteckung von mehr als 1400 Hämophiliepatienten durch mit dem HI-Virus verseuchte Präparate Anfang der achtziger Jahre. 1000 von ihnen sind inzwischen verstorben. Wer an Hämophilie leidet, dessen Blut gerinnt entweder zu langsam oder gar nicht. Bluter sind auf bestimmte Präparate angewiesen, die ihrerseits aus Blutplasma gewonnen werden. Ihre Einführung war für diese Menschen ein Segen. Ohne sie lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Bluters bei 16 Jahren, mit ihrer Hilfe erreichten sie das Alter des Bevölkerungsdurchschnitts. Mit dem Ausbruch von HIV verwandelte sich der Segen in einen Fluch.

Die Aids-Hysterie in den Achtzigern wird glaubhaft dargestellt

Die Hauptrolle spielt Friedrich Mücke, den man tags zuvor noch als steinharten Kommissar im Sat.1-Historienfilm „Berlin Mordkommission 1“ sehen konnte. Hier ist seine Figur im Wortsinn verletzlicher: Martin Siedler ist Bluter. Als er sich bei einem Fahrradausflug mit seiner Frau Sabine (Karoline Schuch) verletzt, muss er sofort nach Hause rasen, um sich sein Medikament zu spritzen. Mit diesem ist er auch beruflich eng verbunden: Er ist Referent in einem Pharmaunternehmen, das sich auf seine Herstellung spezialisiert hat. Siedler ist perfekt an der Nahtstelle der Konflikte platziert, die nun heraufziehen. Den Verdacht, HIV könne sich über das Medikament verbreiten, wird von dem Unternehmen entschieden zurückgewiesen – obwohl ihm, wie Siedler erfährt, ganz andere Erkenntnisse vorliegen.

Der Film, gedreht unter der Regie des mehrfach preisgekrönten Friedemann Fromm, bleibt in der Ausstattung eher dezent und verzichtet auf größere Ausflüge ins Schauerreich der Schulterpolster und Pastellfarben, das die Achtziger waren. Stattdessen protokolliert er sehr präzise, wie die Aids-Hysterie in dieser Zeit um sich griff und zu beängstigenden Entladungen von Homophobie und zur Ausgrenzung Erkrankter führte.

Fazit: Die Wassermetapher wird überdehnt, aber das schmälert nicht, an den vergessenen Skandal zu erinnern.

Mittwoch, 2. Dezember, ARD, 20.15 Uhr