Berlin. „Hart aber fair“ kam diesmal ohne Politiker und Virologen aus. Stattdessen ging es um die Sorgen der Menschen in der Corona-Pandemie.

„Wie geht‘s Ihnen?“, wollte Frank Plasberg am Montagabend bei „Hart aber fair“ von seinen Gästen wissen. Eine simple Frage, die dieser Tage aber mit besonderer Bedeutung aufgeladen ist. Denn „Wie üblich“ dürfte wohl derzeit niemand antworten.

„Das Virus und wir: Wie erleben Menschen unser Land in der Corona-Krise?“, lautete das Thema. Die Gäste berichteten von ihren Erfahrungen auf Streife, an der Supermarktkasse oder im Krankenhaus. Und weil sie ganz unterschiedliche Hintergründe hatten, gab es viele Einblicke.

„Hart aber fair“ – das waren die Gäste am Montagabend:

  • Wolfgang Niedecken, Sänger und Gitarrist der Kölner Band „BAP“
  • Martin Schröder, Soziologe an der Universität Marburg
  • Susanne Herold, Professorin für Infektionskrankheiten am Universitätsklinikum Gießen
  • Jolanta Schlippes, Kassiererin in einem Supermarkt
  • Martin Feldmann, Polizeioberkommissar und Mitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
  • Helmut Köhnlein, Betreiber von zwei Kneipen in Köln

Da ist Jolanta Schlippes, die an der Kasse in einem Supermarkt steht und neuerdings viele neue zusätzliche Aufgaben hat: Streitschlichten, zum Abstand mahnen, älteren Menschen beim Maske aufsetzen helfen. „Es ist anstrengend“, berichtete sie vom gegenwärtigen Alltag. Und der erste Tag mit Maskenpflicht hat vieles in ihrem Arbeitsalltag noch einmal weiter verändert. „Es kam mir wie in einem Science-Fiction-Film vor“, fasste es Schrippes zusammen.

Und da ist Helmut Köhnlein, der zwei Kneipen in Köln betreibt. Seit mittlerweile sechs Wochen wurde dort kein einziges Bier mehr verkauft. „Dass es so eine lange, im wahrsten Sinne, Durststrecke werden würde, hätte ich nie gedacht“, sagte er. Lange werde er finanziell diesen Zustand trotz eines Nebenerwerbs nicht aushalten können. „Mittlerweile mache ich mir Gedanken um einen Plan B“, berichtete er.

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    Supermarktkassiererin in Zeiten von Corona: „Ich kann nur sagen: Ich bin glücklich“

    Für Susanne Herold ist es momentan in erster Linie eine stressige Zeit. „Ich hätte nicht gedacht, dass Freizeit und Schlaf eine so große Bedeutung bekommen würden“, sagte die Krankenhausärztin lächelnd. Da sie auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist, gehe es für sie von morgens bis spätabends nur um das Coronavirus. Freie Wochenende sind derzeit selten.

    Etwas verwundert fragte Frank Plasberg mehrmals seine Gäste, wer denn außer Kneipenbesitzer Köhnlein Sorgen um sich habe. Doch so richtig wollte sich niemand finden. Nicht einmal Kassiererin Jolanta Schlippes: „Ich kann nur sagen: Ich bin glücklich.“

    Keine Sorgen um sich selbst, aber um die Gesellschaft

    Dafür gab es aber viele Sorgen um die Gesellschaft als Ganzes und um diejenigen, die die Krise besonders hart trifft.

    So etwa Künstler und Kulturschaffende, die wohl noch eine lange Durststrecke vor sich haben. „Es wird noch Monate lang keine Konzerte geben“, befürchtete Wolfgang Niedecken. Er selbst sicher nicht, aber viele seine Mitmusiker hätten jetzt ein Riesenproblem, über die Runden zu kommen. „Die meisten Musiker mussten ja vorher schon von der Hand in den Mund leben“, berichtete Niedecken.

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    Steigt die Nachlässigkeit im Umgang mit den Schutzmaßnahmen?

    Ähnliches gilt für Pflegekräfte: „Wenn das irgendwann vorbei ist, müssen wir uns wirklich dransetzen, dass diese Leute endlich vernünftig bezahlt werden“, forderte Niedecken. Doch so einfach wird das nicht – trotz abendlichem Beifall klatschen auf den Balkonen der Republik. „Die Regeln der Marktwirtschaft werden eine bessere Bezahlung sicher schwer machen“, mahnte Soziologe Martin Schröder. Nur weil die Mehrheit der Bevölkerung dafür sei, werde das einen Arbeitgeber nicht überzeugen, künftig mehr Lohn zu zahlen.

    Kurzfristig als größte Sorge entpuppte sich in der Talk-Runde aber die Befürchtung, dass die Menschen die Schutzmaßnahmen immer weniger ernst nehmen. „Die Nachlässigkeit steigt“, befand BAP-Sänger Niedecken. Den Eindruck konnte auch der Berliner Polizist Martin Feldmann bestätigen. In Parks rücken die Menschen zunehmend näher zusammen. Anfangs halfen noch kurze Ansagen ohne Bußgeld-Drohung. „Jetzt wird mit uns mehr diskutiert“, berichtete Feldmann.

    Das Fazit

    Es hätte wohl noch einige Stunden weitergehen können, dass die Gäste von ihren Eindrücken und Sorgen berichteten, ehe Frank Plasberg die „Hart aber fair“-Ausgabe abmoderierte. Und es hätte gerne noch weitergehen können, denn schließlich berichtete da ein Querschnitt der Gesellschaft – vom millionenschweren Musiker bis zur Kassiererin. Und glücklicherweise ohne einen sich profilierenden Politiker oder einen Chefvirologen, der über komplizierte Steigungskurven dozierte.

    Das ergab zwar keine Diskussion im eigentlichen Sinne – Argumente wurden untereinander nicht ausgetauscht. Dafür aber ließ Frank Plasberg seinen Gästen Zeit zum Erzählen. Und das war gut.

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