Ludwigshafen. Der neue “Tatort“ aus Weimar nimmt originell Abschied von Christian Ulmen. Auf besondere Weise will er dem Krimi erhalten bleiben.

  • An Neujahr lief der letzte "Tatort" mit Christian Ulmen aus Weimar
  • Wie es nun mit dem "Weimar-Tatort" weitergeht, ist noch unklar
  • Doch Christian Ulmen will der Krimi-Reihe erhalten bleiben

Tatsächlich, der Zwerg existiert. Bisher immer nur als „Running Gag“ behauptet, ist der Sohn der Kommissare Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) in dieser Folge des Weimar-„Tatorts“ erstmals tatsächlich zu sehen: Jona Truschkowski, der den pfiffigen Jungen spielt, kommt aus Kiel, synchronisiert gerade eine der Erwachsenen-Stimmen in der Haribo-Werbung und war als Kita-Kind Luca in der ZDF-Krimiserie „Stralsund: Waffenbrüder“ erstmals 2018 im Fernsehen zu sehen.

Das traute Familienidyll mit Kind, gemeinsamen Abendessen und Sanierungsarbeiten am eignen Altbau hält in der aktuellen „Tatort“-Folge allerdings keine halbe Woche lang: Am Ende ist die schöne Wandmalerei, die mit einem bekannten Ilm-Ufer-Motiv die gute, alte Goethe-Zeit heraufbeschwört, kaputt gemeißelt. Und Kommissar Lessing ist tot, obwohl unklar bleibt, wann und woran er gestorben ist.

"Tatort: Der feine Geist" aus Weimar: Krimi geht neue Wege

Bei der Verfolgung eines Räubers, der einen Geldboten überfallen und getötet hat, wird er in der berühmten Weimarer Parkhöhle angeschossen. Was zunächst wie ein einfacher Streifschuss aussieht, entwickelt sich zu einer Blutvergiftung, die ihn für mehrere Tage ins Krankenhaus zwingt. Wie und wieso aber kommt Lessing dann von der Intensivstation an den Ausgangsort zurück, wo er tot aufgefunden wird?

Womöglich hat er den Tatort niemals verlassen. Und alles, was diese Weimarer Folge, zum zweiten Mal in der Regie von Mira Thiel, an Skurrilitäten und Plot-Twists aufbietet, spielte bloß im trauernden Kopf von Kira Dorn. Auch ihr Sohn redet schließlich ständig mit einem imaginären Freund.

Jederzeit frisch und beachtenswert sind vor allem die originellen Bilder: Nach 2018 stand wieder Moritz Anton hinter der Kamera, und ließ sich inspirieren von der klassizistischen Umgebung ebenso wie von allerlei technischen Spielereien – von Smartphone- bis Fischauge-Einstellungen. Und natürlich bei der einen irrealen, ultralangen, mit blutrotem Filter unterlegten Sequenz, bei der alle wesentlichen Ereignisse an Kira Dorns innerem Auge vorbeiziehen.

Security-Firma gibt "Tatort" seinen Titel

Im Weimarer „Tatort“ sind diesmal die Geister los. Schon weil John Geist (Ronald Zehrfeld) seine Security-Firma „Der feine Geist“, die dieser „Tatort“-Folge den Titel gibt, mit unerwarteter Spiritualität regiert: Zu Ehren des getöteten Geldboten führen seine Männer den rituellen Haka-Trauertanz der neuseeländischen Māori auf.

Auch geht es um mehr als übliche Wach- und Schieß-Geschäfte: Angeblich ganz offiziell züchtet John Geist seltene Papageienarten wie den kleinen blauen Spix-Ara. Der gilt in freier Wildbahn seit 2000 tatsächlich als ausgestorben – und erzielt auf dem Schwarzmarkt maximale Preise.

Schnell glaubt sich Kira Dorn auf der richtigen Spur: Hat der Firmenchef etwa versucht, die Leiterin des Landesverwaltungsamts (Inga Busch) mit den begehrten Papagei-Eiern zu bestechen, um eine Zoo-Genehmigung zu erhalten? Und gab das nicht gar einen Masterplan zu Ermordung von Lessing her, weil der nur Tage zuvor beide bei einer zufälligen Verkehrskontrolle mit einem blauen Ara im Kofferraum sah?

Am Ende kommt es doch noch anders. Bevor der Fall vollends ins Absurde dreht, erfindet Murmel Clausen, der von Beginn an durchgängig alle Weimarer „Tatort“-Folgen schrieb, rechtzeitig noch ein logischeres, aber auch schnöderes Mordmotiv. Immerhin liefert die Papageien-Story Unmengen an Vogel-Redewendungen und -Kalauern.

Idee zum Krimi soll von Christian Ulmen selbst kommen

Die Idee, als (lebender) Kommissar aus der Reihe herausgeschrieben zu werden, soll allerdings von Christian Ulmen selbst gekommen sein. Er wollte in Zukunft nur noch sporadisch, eben als „Geist“, in den Weimarer Fällen auftauchen und kreative Impulse setzen. Weil doch – so zitiert er kurz vor seinem überraschenden Ableben noch einmal Friedrich Nietzsche – "Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen".

Elf Episoden lang hatten Dorn und Lessing als ungleiches Ost-West-Paar seit 2013 Seite an Seite in der Thüringer Klassiker-Stadt ermittelt, sich privat wie dienstlich perfekt ergänzt und oft genug geistreiche Wortgeplänkel geliefert. Auch diesmal noch wirken sie zusammen so gewitzt wie „Pittiplatsch und Schnatterinchen“ (die DDR-Kinderserie aus den 50er-Jahren) oder „Schlapperplapper und Knollo“ (die Puppenserie des DDR-Fernsehens aus den 80er-Jahren mit einem „Wolkenschaf“ und kuriosem Erfinder).

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Dass mit dem beliebten Ermittler-Duo aber wirklich Schluss sein soll, ist kaum vorstellbar. Wie es konkret weitergeht, weiß in der MDR-Redaktion aber angeblich auch niemand. Noch ist auch Zeit: Wegen Corona-bedingter Drehverschiebungen wird der nächste Weimar-Tatort erst 2022 gedreht.

Aber „Der feine Geist“ ändert womöglich noch mehr. Auch Kurt Stich (Thorsten Merten) überlegt schließlich, die Leitung des Kommissariats abzugeben. Er kann sich nur noch nicht entscheiden, wen er als seinen Nachfolger vorschlagen soll.

Vielleicht wird es Kira, die in diesem Fall hartnäckig wie niemand sonst auf ihr Bauchgefühl hört. Oder Lupo, der plötzlich schon den gleichen Leberfleck im Gesicht kleben hat wie sein bisheriger Chef, nur auf der anderen Backe. Vielleicht bekommt der aber auch ein eigenes Spin-Off, in dem es um „Kira, Kakao und Kriminalität geht“, darauf weist zumindest ein Interview mit „Lupo“-Darsteller Arndt Schwering-Sohnrey kürzlich in der "Bild am Sonntag" hin.

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