Berlin. Arte zeigt am Donnerstag eine Doku über Charlie Chaplin – und beleuchtet darin einen wenig bekannte Facette der berühmten Filmikone.

Natürlich war der Stummfilm nie wirklich stumm: Slapstick wie Drama wurden noch in den 20er- Jahren des letzten Jahrhunderts live begleitet, an Klavier oder Orgel. So konnte es passieren, dass der gleiche Film zur gleichen Zeit in verschiedenen Kinos eine völlig unterschiedliche Wirkung entfaltete – je nach Talent und Repertoire des begleitenden Pianisten.

Ein unkalkulierbares Risiko für die Filmproduzenten jener Zeit, erst recht unvorstellbar für heutige Kinomacher. Und nur eine von vielen erhellenden Erkenntnissen, die der kurzweilige Film von Dominik Wessely, den Arte heute in Erstausstrahlung um 22.50 Uhr zeigt, zur Kinogeschichte liefert. Denn dann kam Charlie Chaplin auf die Leinwand. Der erste Weltstar des Kinos und bis heute einer der einflussreichsten Komiker der Filmgeschichte war ein genialer Generalist.

Charlie Chaplin schuf die berühmteste Ikone der Kinogeschichte

Vor der Kamera hatte er als Schauspieler schon die berühmteste Ikone der Kinogeschichte geschaffen: Mit verbeulter Hose und Melone auf dem Kopf, schwang er seit 1915 als Tramp seinen Spazierstock und rührte mit seiner Menschlichkeit ein Millionenpublikum.

Hinter der Kamera behielt er ebenso gerne die Kontrolle über jedes Detail. Charlie Chaplin war der einzige unabhängige Filmproduzent Hollywoods, der tatsächlich machen konnte, was er wollte. Und so wählte er die passende Musik für seine Filme nicht nur sehr sorgfältig aus, er komponierte auch selbst.

Enormes Gespür für Tempo und Rhythmus: Charlie Chaplin 1943.
Enormes Gespür für Tempo und Rhythmus: Charlie Chaplin 1943. © picture alliance / AP | dpa Picture-Alliance /

Chaplin zweifelte an Erfolg der Tonfilme

Dominik Wessely beleuchtet in seinem Film diese Seite des Tramps mit originalen Bild- und Tondokumenten aus Chaplin-Archiven, mit Statements von zeitgenössischen Filmkomponisten, Ausschnitten aus Chaplins Klassikern und neu produzierten Musikaufnahmen. Und macht durch die Fülle an Information auch Stummfilm-Laien sehr viel Lust, sich Chaplins Klassiker noch einmal in voller Länge anzusehen.

„Ich gebe den Talkies drei Jahre, höchstens“, hatte Chaplin 1926 mit dem Aufkommen der ersten Tonfilme in den USA überzeugt behauptet. Und noch zehn Jahre später, vollkommen gegen den Trend, einen Stummfilm in die Kinos gebracht: „City Lights“ wurde sein erster Film, für den er den gesamten Soundtrack selbst schuf. 86 voll durchkomponierte, komplex arrangierte Minuten. Spätere Kinoklassiker wie zum Beispiel „Casablanca“ beinhalten – zum Vergleich – nur halb soviel, etwa 40 Minuten Musik.

Für Chaplin war Musik ein wichtiges dramaturgisches Mittel

Für Charlie Chaplin war Musik weit mehr als nur dekorative Zutat. Sie war ein wichtiges dramaturgisches Mittel, durch das er quasi sprach. Seit seiner Kindheit spielte er Klavier und Cello. Vor allem aber entwickelte er ein enormes Gespür für Tempo und Rhythmus.

Durch die vielen tänzerischen Elemente wirken seine Kompositionen etwa für „Goldrausch“ oder „Modern Times“ denn auch wie große Ballettmusik.

Dominik Wessely kombiniert das umfangreiche Archivmaterial mit heutigen Bildern von Chaplins Villa in Vevey am Genfer See – inzwischen ein sehr schönes Museum – und einer Spurensuche in London, Hollywood und New York. Vor allem aber mit Ausschnitten aus einer Aufführung von „Modern Times“, wie sie Chaplin geliebt hätte: Seine Musik, live eingespielt in der Elbphilharmonie von den Hamburger Symphonikern unter der Leitung von Stefanos Tsialis.

• Donnerstag, 2. Dezember, 22.50 Uhr, Arte: „Charlie Chaplin der Komponist“