Köln. Volker Kutscher veröffentlicht mit „Marlow“ Buch sieben über Kommissar Gereon Rath. „Der nasse Fisch“ war Vorbild für „Babylon Berlin“.

Er kommt pünktlich auf die Minute in das Kölner Café unweit des Doms. Denn die Zeit von ­Volker Kutscher ist knapp in diesen Wochen. Seit Wochen sorgt das auf seinem Buch „Der nasse Fisch“ basierende „Babylon Berlin“, die bisher teuerste Serie der deutschen TV-Geschichte, für Aufsehen. Und nun steht auch noch „Marlow“ (Piper Verlag, 24 Euro), der siebte Fall von Gereon Rath, in den Läden.

„Im Augenblick ist viel los“, sagt Kutscher. Aber er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er wusste ja, was auf ihn zukommt. Er hat ja selber mal auf der anderen Seite gesessen. Damals, als er nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichtswissenschaft Redakteur einer Kölner Tageszeitung war. Und erleichternd kommt dazu, dass er Zeit hatte, in den Trubel hineinzuwachsen. „Der Erfolg ist ja nicht über Nacht gekommen.“

Krimi und akribisch recherchiertes Sittengemälde der 1920er-Jahre

Geschrieben hat der bekennende Erich-Kästner-Fan schon lange. Gegenwartskrimis. 2007 aber erfindet er einen neuen Helden. Im Kino hat er „Road to Perdition“ gesehen, einen Gangsterfilm mit Tom Hanks, der in den 1930er-Jahren spielt. Und kurz darauf schaut er Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, in dem es um einen Berliner Serienkiller geht. „Da ist der Gedanke entstanden, diese beiden Welten in einem Kriminalroman aufeinandertreffen zu lassen.“

Kutscher schreibt „Der nasse Fisch“, in dem er den Kölner Kriminalkommissar Gereon Rath zum ersten Mal im Berlin der Weimarer Republik ermitteln lässt. Ja, ein Krimi, noch dazu ein sehr raffinierter, bestückt mit zahlreichen starken Figuren.

Aber auch ein Sittengemälde der späten 1920er-Jahre, für das Kutscher mit großer Akribie recherchiert und lange Gespräche mit seiner mittlerweile verstorbenen Großmutter (Jahrgang 1914) geführt hat.

Es sollte von Anfang an eine Serie werden

© dpa | Frédéric Batier

Noch bevor er weiß, wie diese Mischung ankommt, steht für Kutscher damals fest, dass es weitergeht. „Ich wollte von Anfang an eine Serie daraus machen.“ Erst sollte sie mit den Olympischen Spielen in Berlin im Jahr 1936 enden. „Jetzt wird wahrscheinlich mit der Reichs­po­g­rom­nacht 1938 Schluss sein.“

Die grobe Richtung der kommenden Bände kennt ­Kutscher. Aber wie die Geschichte von Rath und Charlotte Ritter ausgeht, das weiß er noch nicht genau. „Die Figuren kommen am Ende meist anders aus dem Roman heraus, als man sich das vorher gedacht hat.“

Abweichungen bei der TV-Serie stören ihn nicht

Natürlich hat der 55-Jährige längst alle Folgen von „Babylon Berlin“ gesehen. „Aber beim Schreiben des neuen Buches hat mich das nicht beeinflusst. Dafür ist die Welt der Romane in meinem Kopf schon zu gefestigt.“ Und es stört ihn auch nicht, dass vieles in der Serie anders ist, dass Figuren und Handlungsstränge aus den Büchern fehlen, andere dazugekommen sind.

„Die Serie ist großartig besetzt und stimmig. Denn entscheidend ist, dass die Filmemacher dieselbe Intention verfolgen wie ich. Dass sie zeigen, wie schnell eine Demokratie vor die Hunde gehen kann.“

„Wir müssen unsere Demokratie verteidigen“

Simple Vergleiche zwischen den 1930ern und 2018 lehnt Kutscher ab. „Unsere Demokratie heute ist viel gefestigter, es geht uns wirtschaftlich 1000-mal besser.“ Gleichwohl sieht er die Demokratie in Gefahr und plädiert dafür, die Augen offen zu halten. „Die Gegner kommen nicht nur von rechts, auch Islamisten lehnen die Demokratie ab, Banken und Konzerne sind oftmals mächtiger als die demokratisch legitimierten Regierungen.“

Für Kutscher ist die Gleichgültigkeit allzu vieler ein großes Problem. „Unsere Demokratie, unser Rechtsstaat, unsere Freiheiten – das sind Errungenschaften, die wir verteidigen müssen.“ Natürlich könne man nicht verlangen, gewaltbereiten Nazis entgegenzutreten. „

Aber das Mindeste, was man tun muss, wenn Leute – wie in Chemnitz – bei einer Demo den Hitlergruß zeigen, ist, sich von denen zu distanzieren und nach Hause zu gehen.“