Berlin. Im ZDF läuft am Montag „Aufbruch in die Freiheit“. Ein eindrucksvoller Film über eine Zeit, in der Abtreibung noch ein großes Tabu war.

Die Metzgersfrau Erika Gerlach (Anna Schudt) fühlt sich als Gefangene ihres Alltags. Die Tage rauschen nur so an ihr vorbei, geprägt von Arbeit im Laden, von Hausarbeit und von drei Kindern. Sie hat nichts zu sagen – ihr Mann ist Chef im Haus. Was soll erst werden, wenn das vierte Kind kommt?

Erika nimmt ihren Mut zusammen, belügt Ehemann Kurt (Christian Erdmann) und fährt nach Köln, die Adresse eines Kurpfuschers in der Tasche, der eine Abtreibung vornehmen soll. Es ist das Jahr 1971. Es gibt den Paragrafen 218 – und Gefängnisstrafe.

Frauen mussten Männer in vielen Dingen um Erlaubnis fragen

Mit dem Film „Aufbruch in die Freiheit“ blicken die Regisseurin Isabel Kleefeld und ihre drei Drehbuchautorinnen auf eine Zeit, in der Frauen in allen Angelegenheiten ihre Männer um Erlaubnis fragen mussten. Sei es die Wahl der Schule für die Kinder oder der Wunsch, einen Job anzunehmen.

„Ich habe kein eigenes Geld, ich habe keine Ausbildung, ich habe kein Zeugnis, ich habe einfach überhaupt nichts“, sagt Erika irgendwann. Es reicht ihr. Sie weiß, dass sie ihr Leben so einfach nicht mehr weiterführen will.

Anna Schudt spielt mit großer Hingabe

Kleefeld zeigt diese Erika als mutige Frau und vermeidet es, sie zu glorifizieren. Denn ohne ihre jüngere Schwester Charlotte (Alwara Höfels) hätte ihr der Mut gefehlt, sich gegen ihren Mann aufzulehnen. Charlotte nimmt sie nach ihrer Abtreibung zunächst in ihrer WG auf. Motiviert sie, an Demonstrationen teilzunehmen – und bietet ihr ein Zuhause, als Erika plötzlich mit den Kindern vor der Tür steht.

Erika (Anna Schudt) und Dr. Wesseling (Daniel Wiemer) werden beim illegalen Schwangerschaftsabbruch gestört.
Erika (Anna Schudt) und Dr. Wesseling (Daniel Wiemer) werden beim illegalen Schwangerschaftsabbruch gestört. © dpa | Bernd Spauke

Anna Schudt spielt diese Figur mit großer Hingabe, zieht den Zuschauer förmlich hinein in ihre Unsicherheit, ihren Schmerz und ihre kleinen Triumphe.

Schudt, die dem Zuschauer vor allem als Ermittlerin an der Seite von Jörg Hartmann im Dortmunder „Tatort“ bekannt ist, zeigt hier ganz neue Facetten.

Regisseurin Kleefeld nähert sich ihren Hauptfiguren sensibel und differenziert: Auch Ehemann Kurt ist keinesfalls der auf den Tisch hauende Fiesling, auch wenn er das hin und wieder gerne sein möchte.

Christian Erdmann spielt diesen Mann, der fast hilflos alte patriarchalische Muster wiedergibt, verhalten. Er lebt in einer Zeit, in der es als gesellschaftliche Norm gilt, wenn Männer sich gegenüber Frauen wie Tyrannen aufführen dürfen. Auch Kurt tut das. Das Verzwickte ist: Er liebt seine Frau. Kann es aber nicht wirklich zeigen.

Berühmter „Stern“-Titel: „Wir haben abgetrieben“

In der Anfangsszene ist sie zu sehen, wie Erika auf dem Fahrrad durchs Grüne fährt. Und wie beim „Stern“ in Hamburg 1971 das Titelbild entsteht mit den Fotos Dutzender Frauen und dem berühmten Zitat „Wir haben abgetrieben“. Die Ausgabe des Magazins – und die Frauen – haben Geschichte geschrieben. Im Film ist Erika Gerlach eine von ihnen.

Fazit: Eindrucksvoller Film über eine Zeit, als Abtreibung noch ein Tabuthema war und Männer glaubten, Macht über ihre Frauen ausüben zu dürfen. Bisweilen jedoch erscheinen die Figuren ein wenig klischeehaft, dennoch schaffen es Anna Schudt, Alwara Höfels und Christian Erdmann, eine beklemmende Stimmung zu erzeugen.

Montag, 29. Oktober, 20.15 Uhr, ZDF: „Aufbruch in die Freiheit“