Essen. Das ARD-Dokudrama „Der Auf-Schneider“ über Jürgen Schneider thematisiert einen der größten Finanzskandale Deustchlands. Eine Kritik.

Man kann es kaum fassen: Als der hessische Bauunternehmer Jürgen Schneider 1994 pleiteging und sich mit Ehefrau nach Florida absetzte, stand er bei rund 50 Banken mit insgesamt 5,4 Milliarden Mark in der Kreide. Am sorglosesten war der Unternehmer dabei von der Deutschen Bank mit Darlehen gefüttert worden, die den Schaden jedoch auf eine sehr perfide Art und Weise herunterrechnete.

Alle Handwerkerrechnungen in Höhe von 50 Millionen Mark würden beglichen, erklärte damals der Vorstandssprecher Hilmar Kopper, denn das seien für sie doch nur „Peanuts“. Besser hätte die Überheblichkeit des angeschlagenen Kreditinstituts nicht formuliert werden können.

Die Geschichte des Pleitiers Jürgen Schneider ist ein dankbarer Filmstoff. Das ARD-Dokudrama mit dem waghalsigen Titel „Der Auf-Schneider“ möchte zwar die Fiktion außen vor lassen, verspricht dem Zuschauer jedoch mehr, als eigentlich gezeigt wird. Denn von „Aufstieg und Fall eines deutschen Baulöwen“, wie es im Untertitel heißt, sieht man eigentlich nur den Fall.

Weggefährten und Betroffene kommen zu Wort

Und auch wenn die Autoren, Christian Hans Schulz und Benjamin Quabeck, dies als Dokumentarfilm bezeichnen, so gibt es dennoch Spielszenen. Die jedoch werden, trotz namhafter Besetzung mit Reiner Schöne und Gesine Cukrowski, eher sparsam eingesetzt.

Der dokumentarische Teil von Schulz kann sich immerhin sehen lassen. Was vor allem daran liegt, dass er es nicht bei Archivmaterial belässt, sondern auch Beteiligte von damals vor die Kamera holt. Die Richter kommen zu Wort, selbst die Handwerksbetriebe werden nicht vergessen.

Michael von Sachsen-Weimar, der damals Leiter der Filialdirektion Mannheim der Deutschen Bank war und Schneider die nötigen Zwischenkredite vermittelte, bezeichnet den Baulöwen heute als „finanziellen Selbstmordattentäter“. Bleibt nur die Frage, warum die immer noch sehr agile Person, um die sich hier alles dreht, nur ein minimales Statement abliefern darf.

Spielszenen sind Schwachpunkt

Der Schwachpunkt des Films aber bleiben die Spielszenen. Dem sonst so markanten Reiner Schöne als Schneider bleiben hier nur wenig Entwicklungsmöglichkeiten. Meist muss er nur Anweisungen geben oder Papiere von links nach rechts bewegen. Gesine Cukrowski bemüht sich als Schneiders Gattin zwar um den ihr fremden hessischen Dialekt, darf im Florida-Exil aber hauptsächlich aus Langeweile Cocktails schlürfen.

Der Film endet mit einem Schwenk über das Leipziger Stadtzentrum, einem wahren Prunkstück an Gestaltung, an dessen Entstehen Schneider maßgeblichen Anteil hatte. Es hat fast den Anschein, als wolle man betonen, dass der Unternehmer und nachweisliche Betrüger auch Gutes vollbracht hat. Zumindest im Bereich des Auftraggebers MDR.

Fazit: Eine ansehnliche Filmdokumentation über den berüchtigten Bauunternehmer Jürgen Schneider. Ohne die wenig ergiebigen Spielszenen wäre sie sicher besser gelungen.

ARD, Montagabend, 20.15 Uhr