Essen. In „Her mit der Marie!“ treffen die Ermittler auf die Wiener Unterwelt. Ein „Tatort“ mit viel Lokalkolorit und einem besonderen Ende.
Gleich der Anfang dieses Wiener „Tatorts“ hat es in sich. Ein Auto mit zwei offenbar gut gelaunten Insassen überfährt in Nahaufnahme den Kadaver eines Fuchses. Kurze Zeit danach ist auch einer der beiden im Auto tot. Wie aus dem Nichts war da plötzlich ein bewaffneter Mann aufgetaucht, der offenbar wusste, dass hier Geld transportiert wird.
Genauso plötzlich, wie er auftauchte, ist der Mann wieder weg. Und es steht nur noch der Unterwelt-Ganove mit Rufnamen „Pico Bello“ (Christopher Schärf) auf den Beinen. Er muss nun unbedingt die Marie wieder herbeischaffen.
Womit schon mal geklärt wäre, dass es sich bei dem Titel „Her mit der Marie!“ nicht um eine Frau handelt, sondern um Geld. Aber genau dieses Festhalten am Dialekt, das macht das Besondere aus an diesen österreichischen Krimis. Wo man sonst auch hinhört im Bereich des „Tatort“ – ob in München, Köln oder in Dresden –, überall versucht man, die Sprachfärbungen zu eliminieren oder zumindest kleinzuhalten.
Wiedersehen mit „Inkasso-Heinzi“
In Wien aber behalten die Figuren durch den Dialekt auch ihre Identität. Wenn ein Großkrimineller wie der „Dokta“ (Emil Steinhauer) von seinem künftigen Nachfolger Pico verlangt „Mei Marie muas wieda her. Host mie?“, dann klingt das zwar fast väterlich, doch dahinter meint man, auch ein leises Misstrauen zu spüren.
Für Regisseurin Barbara Eder ist dies – nach „Virus“ im letzten Jahr – bereits der zweite Wien-„Tatort“. Man merkt es deutlich an der Sicherheit, mit der sie hier beispielsweise das Ermittlergespann Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) zu neuer Blüte führt.
Das ist der „Tatort: Her mit der Marie!“
Sie spielt stilsicher mit den Möglichkeiten des klassischen Gangsterfilms, wenn die Kamera von Matthias Pötsch in das zwielichtige Territorium des „Dokta“ eindringt. Aber sie zeigt auch eine Unterwelt, in der Freundschaft und Vertrauen angeblich noch etwas gelten, wo der Boss gar seine Frau derart busselt, als sei es der erste Tag ihrer langen Ehe.
Es gibt viele sehenswerte Momente in diesem Film, aber einen wirklich ganz wunderbaren. Dann nämlich, wenn Bibi ihren alten Freund, den „Inkasso-Heinzi“ (Simon Schwarz), wieder trifft, der jetzt eine Autowerkstatt betreibt. Man sitzt entspannt auf einer Bank vor der schmutzigen Halle, isst gemeinsam Leberkäs – und Heinzi erklärt das Leben.
Das Leberkäs-Dilemma und die Seelenverwandtschaft
„Du verstehst mein Leberkäs-Dilemma“, sagt er zur alten Freundin. „Eine is immer z’wenig, zwoa san z’vui, drei für zwoa, so hat’ der Herrgott woll’n“. Es ist ein Moment für die Ewigkeit, wie hier eine ungewöhnliche Polizistin und ein Kleinkrimineller ihre Seelenverwandtschaft entdecken.
Fazit: Auch wenn man der ganz speziellen Art des österreichischen Films hier wieder mal erliegen kann, man sollte die Sache mit der geraubten Marie nicht einfach vergessen. Denn es gibt am Ende eine völlig überraschende Wendung der Dinge. Ein wenig traurig und ein wenig schräg. Wie immer.
ARD, Sonntag, 14. Oktober, 20.15 Uhr