Berlin. „Kruso“ ist eine Literaturverfilmung über den letzten Sommer der DDR. Flucht und die Suche nach Freiheit werden hier gegenübergestellt.

Kruso hat eine Mission: Er kümmert sich um die Menschen, die aus Verzweiflung über die politischen Verhältnisse nach Hiddensee kommen. Hier kümmert er sich um die Künstler und Andersdenkenden, die mit dem Gedanken spielen, aus der DDR zu fliehen. „Kruso“ (gespielt von dem hervorragenden Albrecht Schuch) will sie dazu bringen, darüber nachzudenken, was Freiheit wirklich ist.

Es ist der letzte Sommer der DDR vor der Wende. Als die Mauer fällt, zerbricht der nahezu idyllische Mikrokosmos, und nicht alle kommen mit der neuen Freiheit zurecht. Lutz Seilers Roman „Kruso“, 2014 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet, gilt als eines der großen Werke über das Ende der DDR.

Insel für Andersdenkende

Kruso (Albrecht Schuch) und Karola (Anja Schneider) mit Schiffbrüchigen auf der Klausner-Terrasse.
Kruso (Albrecht Schuch) und Karola (Anja Schneider) mit Schiffbrüchigen auf der Klausner-Terrasse. © dpa | Lukas Salna

Der Film spielt im Sommer 1989 und folgt dem jungen Edgar (eindringlich: Jonathan Berlin) auf die Insel. Hier tummeln sich tagsüber Touristen am Strand, nachts finden Fluchtversuche über die Ostsee statt, denn der Westen ist nicht weit – nur die wenigsten schaffen es. Germanistikstudent Ed, der seit dem Tod seiner Freundin traumatisiert ist, landet im Ferienheim „Zum alten Klausner“, einem Auffangbecken für Menschen, die mit der DDR nicht klarkommen.

Kruso hat hier sein eigenes Utopia gebastelt. Jede Nacht sammelt er am Strand Fluchtwillige auf, versorgt sie mit Soljanka aus der Gulaschkanone und mit Literatur, die ihnen zu denken geben soll: Sie sollen die Freiheit in sich selber suchen, nicht jenseits der Grenze und dabei ihr Leben riskieren. Klar, dass es mit Kruso kein gutes Ende nimmt, als die Wende beginnt und seiner Kommune die Bewohner weglaufen, die ihre Freiheit letztlich doch lieber im Westen suchen.

Momente wie Gemälde

Autor Lutz Seiler hat als Lyriker begonnen, und das merkt man seinem Roman „Kruso“ an: Er ergeht sich darin oft in detailreichen Beschreibungen. Viele Leser haben ihm diese Weitschweifigkeit vorgeworfen. Kann man ein so poetisches Buch für ein TV-Publikum verfilmen?

Regisseur Thomas Stuber rafft und fokussiert das Geschehen, schafft es aber, die intensive Atmosphäre beizubehalten. Der Galgenhumor der Gestrandeten, Eds Zwiebelschneiden unter sengender Sonne als Initiationssritual, die Kiefernwälder – es sind nahezu unbewegte Momente, die fast an ein Ölgemälde erinnern.

Hiddensee galt in der DDR als Nische für Andersdenkende und Aussteiger, die im Sommer oft in Hotels, Restaurants oder als Rettungsschwimmer arbeiteten. Künstler und Wissenschaftler zogen sich auf die Insel zurück, genossen das intellektuelle Klima, wurden aber von der Stasi überwacht. Auch Lutz Seiler arbeitete im Sommer 1989 als Tellerwäscher auf der Insel, verarbeitete in seinem Roman eigene Erlebnisse.

Er zeigt sich sehr zufrieden mit der TV-Adaption, die in seinen Augen eine ungeahnte Aktualität bekommen hat: „Das Meer als Grenze und Ort des Sterbens war im Roman ein Thema, als es die Mittelmeerfluchten noch nicht gab, das ist dem Film als aktueller Kontext zugewachsen.“

Fazit: Melancholisches Wendedrama, das die Menschen in ihrer Einsamkeit zeigt.

ARD, Mittwoch, 26. September, 20.15 Uhr