Drogen und Gewalt: Lennert, Siggi und Omar sind früh gescheitert. „Menschen hautnah“ zeigt, wie sie um ihre zweite Chance kämpfen.

Von der Terrasse direkt ins Wasser springen, im Hintergrund die Elbphilharmonie: ein schickes Sommervergnügen, auf den ersten Blick. Aber solche Momente der Leichtigkeit sind Ausnahmen für Lennert, Siggi und Omar. Sie kennen vor allem das Schwere.

Ihr Lehrer nennt sie Überlebenskünstler. Wo andere Kinder liebevolle Eltern und ein sicheres Zuhause hatten, war ihre Kindheit von Alleinsein, Gewalt, Drogen und Überforderung geprägt. Ihr neues Zuhause ist dieses Wohnheim auf zwei Pontons im ehemaligen Hamburger Freihafen.

Ohne Halt und Orientierung

Als die Jugendlichen in die Einrichtung kamen, so erzählt es Tom Ricks, einer der Leiter der Gruppe, waren sie ohne Halt und Orientierung. Ihnen fehlten grundlegende Erfahrungen, die ein selbstständiges, geglücktes Leben überhaupt erst hätten ermöglichen können.

Sie haben auf der Straße gelebt, waren jahrelang nicht in der Schule, gehörten nirgendwo hin. Probleme versuchten sie mit Drogen und Gewalt zu lösen. Sie haben es nicht anders gelernt.

Das soll sich ändern. An diesem Ort, der für sie die zuverlässige Basis bilden soll, die sie nie hatten. Die Filmemacher Bettina Zbinden und Max von Klitzing haben die Jungen sechs Wochen lang für die Reihe „Menschen hautnah“ begleitet.

Entstanden ist mit „Das Leben auf die Reihe kriegen“ ein berührender Film über die Dramen dreier noch so junger Biografien – vor allem aber über diese neue Zeit, in der sie endlich lernen sollen, nicht mehr nur zu überleben, sondern zu leben.

„Scheiße bauen“

Ihre Betreuer begegnen ihnen mit einer Mischung aus Zugewandtheit und Strenge. Es sei wichtig, die Beziehung immer aufrechtzuerhalten, sagt Ricks. Die Jungs müssten wissen, dass die Betreuer sie nicht aufgeben. Dazu gehört, dass sie viel von ihnen verlangen. Morgens aufstehen. Putzdienste zuverlässig übernehmen. Und über Probleme reden lernen.

Ein Ausdruck ist es, der am häufigsten fällt, wenn die Jungs von früher erzählen: „Scheiße bauen“. Ein Oberbegriff für alles von Drogenkonsum bis Leute verprügeln. Omar, Siggi und Lennart sagen selbst, sie hätten viel Scheiße gebaut. Jetzt lernen sie, dass es bessere Dinge gibt, um den Tag zu füllen.

Endlich jemand, der zuhört

Siggi etwa wagt sich – mit Lennert als Unterstützung – zum Training einer neuen Fußballmannschaft. Er gesteht vorher, dass er nervös ist. Doch es klappt gut, ein wichtiges Erfolgserlebnis. „Beim Fußball hat man auch Spaß – ohne Drogen“, sagt Siggi. In seinem Umfeld früher habe er nichts anderes gelernt, als dass Drogen zum Leben gehören. Und auch, dass er zu nichts nutze sei. Jetzt ist für ihn die Zeit gekommen, diese alten Gewissheiten zu ersetzen.

Die Autoren begegnen ihren Protagonisten offen und vorurteilsfrei. Und so öffnen die sich ihnen und lassen erkennen, wie wichtig es ist, dass man sie nicht aufgibt. Omar hätte Betreuer Tom am liebsten als Familienmitglied, nicht nur als „Arzt“, wie er es nennt. Und Siggi schätzt es, dass er seine Probleme mit Tom besprechen kann. So jemanden hatte er früher nicht.

Fazit: Spannende Einblicke, einfühlsam erzählt.

• „Menschen hautnah“, Donnerstag, 20. September, 22.40 Uhr, WDR