Der Film „Sieben Stunden“ ist einfühlsam und differenziert erzählt und beruht auf einer wahren Geschichte. Arte warnt allerdings.

Selbstbewusst geht sie über den Gefängnisflur, an Gruppen männlicher Gefangener vorbei, zur Arbeit. Lächelnd. Mit dem Gefühl der Berechtigung. So, wie jeder Mensch sich jederzeit überall bewegen könnte, wenn die Welt ein besserer Ort wäre: Das ist die erste Szene des Films „Sieben Stunden“. Dass er nicht so weitergeht, weiß jeder, der sich an die wahre Geschichte der Gefängnispsychologin Susanne Preusker erinnert.

2009 wurde sie sieben Stunden lang von einem ihrer Klienten, einem verurteilten Sexualstraftäter, in ihrem Büro als Geisel gehalten und mehrfach vergewaltigt. Sadistisch gequält. Preusker schrieb später das Buch „Sieben Stunden im April“. Darüber, was das Verbrechen, das ihr Innerstes dauerhaft beschädigte, mit ihrem Leben gemacht hat. Und wie sie es sich zurückholte.

Für die Darstellung von Gewalt sind keine Gewaltszenen nötig

Neun Jahre nach der Tat nahm sich Preusker das Leben. Einem „Stern“-Reporter hatte sie nicht lange davor ein Interview gegeben. In einem Artikel darüber fragt er sich, ob er etwas hätte merken müssen. Und er erzählt, sie habe den Film über ihren Fall gemocht.

Das sind die Hintergründe des TV-Dramas von Christian Görlitz (Buch mit Pim G. Richter), in dem die Psychologin Hanna Rautenberg heißt. Bibiana Beglau spielt sie rau und zum Mitleiden.

Hanna Rautenberg (Bibiana Beglau) und Peter Petrowski (Till Firit) in einer Szene des Films „Sieben Stunden“.
Hanna Rautenberg (Bibiana Beglau) und Peter Petrowski (Till Firit) in einer Szene des Films „Sieben Stunden“. © dpa | Barbara Bauriedl

Die Darstellung der erlebten Gewalt geschieht indirekt – indem der Film die schlimm zugerichtete Frau zusammengekauert am Tatort zeigt, gegengeschnitten mit Gerichtsszenen, in denen der Richter die Urteilsbegründung verliest. Das ist gut gelöst; mehr zu zeigen wäre nicht recht gewesen. Die Fragen, die sich nach der Tat stellen: Wie konnte das geschehen? Und wie kann Hanna danach weiterleben?

Vorsichtige Erzählweise

Das Verbrechen entkernt sie, reißt ihr Dasein aus der Verankerung. Der Gefängnisdirektor weist jede Verantwortung von sich – etwa dafür, dass der Täter ein Messer bei sich haben konnte. Der Ehemann begreift die ganze Dimension der Ereignisse erst, als Hanna Panikattacken bekommt, weil er Kräuter mit einem Messer hackt. Oder weil sie im Schwimmbad plötzlich glaubt, der Täter (gespielt von Till Firit) ziehe sie am Bein unters Wasser. Und der frühere Kollege (Norman Hacker) versteht nicht, warum sie ihm vorwirft, er habe sie im Stich gelassen.

Fast dokumentarisch wirken die Szenen vor Gericht, wenn die Experten ihre Gutachten über den Täter vorlesen, ihn als Psychopathen schildern. Das passt zu der forschenden, vorsichtigen Erzählweise, mit der hier den Spuren von Hannas auseinandergefallenem Leben nachgegangen wird.

Am Ende behauptet sie sich selbst. Indem sie den Täter bewusst verletzt, an sein armseliges Leben erinnert, ihn zum Opfer macht. Im Leben der Susanne Preusker war es ein Brief, der diese Aufgabe erfüllen sollte. Im Film ist es ein starker Auftritt von Beglau als Hanna, die den Mann verflucht. Wenn auch nur in der Fantasie.

Fazit: Sehr schweres Thema, einfühlsam und differenziert erzählt. Arte warnt selbst: Nichts für Kinder und sensible Menschen.

Arte, Freitag, 7. September, 20.15 Uhr