TV-Kommissarin Lotte Jäger löst im ZDF einen Mordfall aus der Vergangenheit in der brandenburgischen Provinz. Und das mit Bravour.

Sie ist unterwegs zu ihrem neuen Fall. Lächelt zufrieden angesichts der herrlichen Weiten Brandenburgs, durch die sie fährt. Aber das Lächeln verschwindet nach und nach. Mit jedem Unfallopfer-Erinnerungskreuz am Rande der nicht enden wollenden Alleen ein bisschen mehr. Bis sie eine Panikattacke hat, rechts ranfährt und ihre Therapeutin anruft. Lotte Jäger ist gerade nicht sehr gefestigt.

Aber am Ziel – dort, wo in der Dunkelheit einzig das Schild vom Dorfgasthof leuchtet – hat sie sich wieder im Griff. Harmloses Lächeln in die Kneipenrunde, als Antwort misstrauische Blicke: Die Sonderermittlerin für vermeintlich längst Vergangenes dringt ein in eine Gemeinschaft, die vom Außen nichts wissen will.

Vor 16 Jahren wurde eine junge Frau aus ihrer Mitte getötet, nach einem ausgelassenen Dorffest. Und bis heute muss nicht nur der inzwischen pensionierte Kommissar Konrad Dahlke (Hansjürgen Hürrig), sondern das ganze Dorf mit dem ungelösten Fall leben.

Silke Bodenbender kann’s einfach

Eine Arbeit ohne frische Leichen: Anders geht es für Lotte Jäger nicht. Als Mordkommissarin hat sie eine Art Phobie entwickelt, so wurde es im ersten Fall erklärt. „Lotte Jäger und die Tote im Dorf“ heißt nun der zweite Film. Silke Bodenbender spielt die leichenscheue Polizistin einen Hauch verletzlicher als zuletzt, aber gleichbleibend glaubwürdig und greifbar. Lotte hat etwas Abwartendes an sich, auch wenn die Angst gerade nicht zuschlägt.

Und ihre Uneindeutigkeit macht sie zu jemandem, der sein Gegenüber spiegelt. Blick, Haltung und Sprache verschieben sich minimal, je nachdem, mit wem sie spricht. Und manchmal lässt sie die Menschen zu nah an sich herankommen.

Das alles macht sie interessanter als Kommissare, die sich permanent im Sprücheklopf- oder Schlechte-Laune-Modus befinden. Zum Glück war hier Rolf Basedow („Sperling“, „Im Angesicht des Verbrechens“) fürs Drehbuch zuständig, der seine Figuren möglichst echt und komplex mag.

Weniger ein klassischer Krimi, aber sehr gelungen

Und was macht diese Ermittlerin für ungeklärte Altfälle nun im Dorf? An Tabus rühren. Leute treffen, die selbst nicht wissen, ob sie vielleicht der Mörder sind, weil sie damals zu betrunken waren, um sich zu erinnern. Unerwartete politische Streitthemen entdecken. Spießrutenlauf über die Dorfstraße durchstehen. Und trotzdem langsam Angst bekommen, dass sie vielleicht den Verstand verliert.

Zwischen Raps, Klatschmohn und Wald sind die Leute hier stecken geblieben im gegenseitigen Misstrauen. Seit anderthalb Jahrzehnten. Umso schöner, wenn sich Lotte Jäger das alles endlich losgelöst und froh im Doppeldecker aus der Luft ansehen darf. Ein heller Augenblick im richtigen Moment (Regie: Franziska Meletzky/Kamera: Bella Halben). Die Lösung ihres Falls findet die Ermittlerin zwar noch nicht da oben. Aber einen angstfreien Moment kann sie gut gebrauchen.

Fazit: Weniger ein klassischer Krimi als eine Geschichte davon, wie Misstrauen eine Gruppe von Menschen lahmlegen kann. Figuren, Schauspieler, Bilder und Story: alles gut.

„Lotte Jäger“, Montag, 3. September, 20.15 Uhr, ZDF