Essen. Die ARD zeigt Dienstagabend um 22.45 Uhr die bissige Konsum-Satire „Familie Lotzmann auf den Barrikaden“ von Regisseur Axel Ranisch.

So wie der Marktplatz früher das Herzstück jedes Ortes war, ist der Elektronikfachmarkt heute das Herzstück jedes Einkaufszentrums. Idyllisch ist er allerdings nicht: In schreienden Slogans preist er Flachbildschirme und Espressomaschinen mit dem Versprechen an, den Alltag zu revolutionieren, die Mitarbeiter tragen Krawatten in knalligen Firmenfarben. Man rühmt sich seiner „Service-Desks“, aber eine Reparatur ist unmöglich, lieber wird dem Kunden die neueste Version des Produkts in die Hand gedrückt.

Regisseur Axel Ranisch wurde für seine Tragikomödien „Ich fühl mich Disco“ und „Alki Alki“ gefeiert und für seinen Mundart-Tatort „Babbeldasch“ mit Ulrike Folkerts geprügelt. In seiner Satire „Familie Lotzmannn auf den Barrikaden“ (ARD, Dienstag um 22.45 Uhr) knöpft er sich die kalten Konsumhallen vor – und entlarvt die Schnäppchenparadiese als Hölle aus Gier, Ausbeute und Wegwerfmentalität.

Erinnerungen an „Ekel Alfred“ werden wach

Ausgangspunkt der Handlung ist die von einer Schrankwand beherrschte Wohnung des Rentner-Ehepaars Lotzmann. Die beiden erinnern an Klassiker der Kleinbürger-Satire wie „Ekel Alfred“ oder „Familie Heinz Becker“. Die bekannte Kabarettistin Gisela Schneeberger spielt die Furie Annemarie. Ohnehin schon keine Frohnatur, sinkt Annemaries Laune noch, weil Gatte Hubert (Grimmepreisträger Jörg Gudzuhn) ihren 70. Geburtstag vergessen hat.

„Du saugst jetzt, und zwar sofort!“, verurteilt sie ihn zur Hausarbeit. Das hätte sie nicht tun sollen. Hubert saugt nämlich versehentlich den geliebten Wellensittich ein und ruiniert damit auch noch den Staubsauger, den altbewährten „Fuzzbuster 500“. Also eilt er damit zum neu eröffneten Elektronikmarkt und will ihn reparieren lassen. Doch nach einigen Verwicklungen, an denen seine kapitalismusfeindliche Tochter erheblich beteiligt ist, hält man ihn dort für einen Terroristen.

Regisseur Ranisch muss liefern

Eigentlich lässt Regisseur Ranisch seine Dialoge improvisieren, hier machte er eine Ausnahme. Das hat sich gelohnt: In den punktgenauen Schlagabtauschen seziert Drehbuchautor Sönke Andresen den Zustand unserer Gesellschaft, ohne dass der Blick jemals von oben herab fällt. So sammelt Huberts Kumpel, Bademeister Achmed, Unterschriften für den Erhalt seines Hallenbads.

„Geh dahin zurück, wo du herkommst!“, fährt ihn eine junge Mutter an. „Nach Gelsenkirchen?“, fragt Achmed scharf. Auch der Bonuspunkte-Irrsinn der Supermärkte wird zur Lachnummer. Höhepunkt aber ist die Kabarettistin Gayle Tufts als Chefin des Elektromultis: Wenn sie mit mechanischer Fröhlichkeit und amerikanischem Akzent Marketing-Phrasen um sich schleudert, ist das urkomisch. „Wir haben ihr die Rolle auf den Leib geschrieben“, erklärt Ranisch im Pressetext. Merkt man.

Regisseur Ranisch muss liefern

Auch wenn manchmal die Grenze zum Klamauk überschritten ist und das ganze Leinwand-Chaos zuweilen anstrengt – die ARD wäre gut beraten gewesen, der schrecklich netten Familie Lotzmann den 20.15-Uhr-Platz einzuräumen. Offenbar hat der Sender nach dem „Tatort“-Flop vor anderthalb Jahren das volle Vertrauen in den 35-jährigen Regisseur verloren. Stattdessen wiederholt das Erste zur Hauptsendezeit eine weitere Folge der Serie „Charité“ – die Quoten der Zweitausstrahlung allerdings kränkelten bisher.

Fazit: Schräge und hintergründige Alltags-Satire

ARD, Dienstag, 22.45 Uhr