Essen. Die Doku „Die Abschaffung der Geschlechter“ beschäftigt sich mit auflösenden Rollenbildern. Ein 3Sat-Film mit einer klaren Haltung.

Am 10. Oktober 2017 beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass es neben „männlich“ und „weiblich“ auch eine dritte Option für das Geschlecht im Geburtseintrag geben muss. Erst im Juni dieses Jahres hat die Weltgesundheitsorganisation WHO Transsexualität von der Liste der psychischen Störungen gestrichen. In Kraft tritt die Veränderung voraussichtlich 2022.

Diese Entwicklungen gaben Franziska Meyr-Keber und Con­stanze Grießler den Anlass, die Geschlechterdebatte zu beleuchten. Sie stellen die Frage: Was ist eigentlich typisch Mann, was ist typisch Frau? Welche Rolle spielt das Geschlecht überhaupt noch in unserer Gesellschaft? Ihre Dokumentation „Die Abschaffung der Geschlechter“ stellt dabei vor allem diejenigen in den Vordergrund, für die Veränderungen bitter notwendig sind.

Viele Aspekte werden nur oberflächlich angekratzt

Da ist etwa Erik Schinegger, eine österreichische Skifahrerlegende. Er gewann noch als Skiläuferin einen Weltmeistertitel. Doch dann, im Jahr 1967, so erzählt er, führte der Österreichische Skiverband einen Chromosomentest bei allen Skiläuferinnen durch. Dabei kam heraus, dass er genetisch eigentlich „männlich“ sei. Schinegger entschied sich dazu, sich zum Mann umoperieren zu lassen.

Sexismus, Diskriminierung und geschlechtergerechte Sprache und Vorurteile – auch das sind Themen der beiden Regisseurinnen. So ­berichtet die transsexuelle Neu­rowissenschaftlerin Vivienne Ming davon, dass ihr von dem Tag an, als sie als Frau auftrat, nie wieder eine mathematische Frage gestellt wurde.

Wie man spielerisch mit Geschlechterrollen bricht, zeigt dagegen die männliche Cheer­leadergruppe „Fearleaders“. Eine Fülle an Aspekten also, die nur oberflächlich angekratzt werden kann. Gern hätte man mehr über die Zusammenhänge erfahren.

Eigene Toiletten für Minderheiten

Immer wieder werden die Film­ausschnitte von einer Diskussion zwischen Eva Blimlinger und Harald Martenstein unterbrochen. Die Rektorin der Akademie der ­bildenden Künste in Wien und der Kolumnist aus Berlin liefern sich einen Schlagabtausch, der stets nach demselben Schema abläuft: Martenstein äußert etwa seine Angst, dass eine Frauenquote ­weitere Quoten nach sich ziehe oder dass andere Minderheiten ebenfalls eine eigene Toilette ­fordern könnten. Blimlinger entkräftet diese souverän und mit einer fast süffisanten Routine.

Als Hardliner präsentiert sich Martenstein jedoch nicht. Sein Sohn trage jedenfalls liebend gern Ballettkleider und möge die Farbe Rosa, erzählt er. Er klingt nicht, als würde ihn das stören. Tatsächlich sind sich die beiden an vielen Stellen einig. Und so zeigt das Gespräch vor allem, dass man das sensible Thema sachlich behandeln kann, ohne sich dabei in die Haare zu kriegen.

Fazit: Ein Film mit einer klaren Haltung: Die Auflösung starrer Geschlechterrollen schadet niemandem, hilft aber vielen.

Mittwoch, 25. Juli, 3Sat, 20.15 Uhr