Essen. Die Doku „Nacht im Revier“ zeigt, was an Rhein und Ruhr passiert, wenn die meisten schlafen. Leider sind die Geschichten erwartbar.

Wenn es Nacht wird im Revier ... So ähnlich fingen in den 60er-Jahren Filme über das verruchte Rotlichtmilieu an. Doch damit hat diese WDR-Reportage nichts zu tun. Stattdessen hat sich Reporter Christian Dassel auf einen Streifzug durch eine Nacht im Ruhrgebiet gemacht und erzählt mithilfe ausgewählter Bewohner, was dort alles so passiert zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang.

Leider bewegt sich Dassel für „Nacht im Revier“ oft auf ausgetretenen Pfaden. Natürlich geht es ins Stahlwerk nach Duisburg. Und selbstredend darf auch der dortige Landschaftspark wieder als bunte Kulisse vor dunklem Himmel herhalten, wenn ein Fotograf vorgestellt wird, der nächtliche Impressionen an Rhein und Ruhr einfängt.

Begleitung der Nachtwächter im Gelsenkirchener Zoo

Nicht fehlen darf auch die Kirmes mit ihren blinkenden Lichtern und sogar einem Feuerwerk – dieses Mal aus Bochum. Viele Bilder hat man schon oft gesehen – nicht zuletzt in der Doku „NRW bei Nacht“, die auch vom WDR stammt. Und die Polizei auf Streife in der Nacht zu begleiten, ist auch nichts, für das man 2018 noch einen Innovationspreis bekommt – selbst wenn man die Beamten vor nächtlich illuminierter Stadtkulisse in Szene setzt.

So bleiben am Ende die – durchaus unterhaltsamen – Einblicke in den Gelsenkirchener Zoo, in dem der Reporter den Nachtwächter begleitet und dabei unter anderem auf müde Orang-Utans und meckernde Seelöwen trifft. Und dann ist da noch ein Duo, das in einer Essener Burgruine nach Gespenstern sucht, natürlich zur Geisterstunde. Finden, so viel sei verraten an dieser Stelle, werden sie keine.

Manches Gespräch wirkt flach und nichtssagend

Vermutet werden „Berührungsängste“. Genau die hat Christian Dassel bekanntlich nicht. Wie in fast allen seiner Filme und Reportagen drängt es den gebürtigen Hagener immer wieder vor die Kamera. Aber was bei seinen Beiträgen für die „Aktuelle Stunde“ oft gut funktioniert, wirkt in diesem 45-Minüter meist eher störend.

So gut seine Bemerkungen und Kommentare aus dem Off auch dieses Mal wieder sind, so flach und nichtssagend wirkt manches Gespräch vor der Kamera. Was umso ärgerlicher ist, da Dassel bei vielen seiner Protagonisten ein glückliches Händchen beweist. Ob der Stahlarbeiter, der auch nach 30 Jahren noch von jedem Abstich fasziniert ist, oder wie die Nachtbusfahrerin, die bis zum Morgengrauen durch Dortmund kreist, um die letzten Nachtschwärmer einzusammeln und das für den besten Job hält, den sie jemals hatte – sie alle erzählen Lebensgeschichten aus dem Ruhrgebiet.

Bekenntnisse einer Zeitungsbotin

Den nachhaltigsten Eindruck aber hinterlässt die Zeitungsbotin, die seit Jahrzehnten zwischen Oberhausen und Duisburg unterwegs ist. Ja, sie braucht das Geld, um die schmale Rente aufzubessern. Aber sie liebt nach eigener Aussage die besondere Stimmung, die es angeblich nur zwischen zwei und vier Uhr morgens gibt: „Als wäre ich allein auf der Welt.“ Letzten Endes wird von Satz zu Satz deutlicher, dass die nächtliche Arbeit vor allem eine Flucht ist vor der problematischen Situation in den eigenen vier Wänden der 77-Jährigen. So offen hört man Menschen von der Straße selten über ihre Sorgen sprechen.

Fazit: Hält nicht ganz, worauf der Titel hat hoffen lassen.

WDR, Freitag, 6. Juli, 20.15 Uhr