Essen. Arte-Dreiteiler „Three Girls“ über den größten Missbrauchsfall Großbritanniens. Die dramatische Geschichte hinterlässt Sprachlosigkeit.

Die 15-jährige Holly und ihr Vater sind auf die Polizeistation der nordenglischen Industriestadt Rochdale zur Vernehmung geladen worden. Das verhaltensauffällige, offenbar traumatisierte Mädchen wird beschuldigt, in einem Kebab-Schnellimbiss Sachbeschädigung und Ladendiebstahl begangen zu haben. „Three Girls“ beginnt wie ein normaler Krimi in einem sozialen Brennpunkt. Doch was dann folgt, was sich im Zuge der Ermittlungen immer mehr herauskristallisiert, sprengt noch die düstersten Vorstellungen und ist alles andere als leichte Unterhaltungskost.

Die dreiteilige BBC-Miniserie, die Arte dankenswerterweise als Block ausstrahlt, erzählt entlang der drei Freundinnen Holly (Molly Windsor), Amber (Ria Zmitrowicz) und Ruby (Liv Hill) von einem realen Skandal, den himmelschreiend zu nennen der reinste Euphemismus wäre. Erst beim Verhör auf der Wache bringt es Holly über sich, von ihrer Leidensgeschichte zu erzählen.

Pakistani verlangen sexuelle Gegenleistungen

Mit ihrem Vater erst vor Kurzem nach Rochdale gezogen, hat sie in den Schwestern Amber und Ruby die einzigen neuen Freundinnen gefunden. Die drei Mädchen hängen mit Vorliebe in Kebab-Läden ab. Ambers älterer, pakistanischer Freund Tarif und weitere Pakistani, darunter auch „Daddy“ (Simon Nagra), spendieren den Mädchen Drinks und Fastfood. Das Leben scheint perfekt, bis Daddy sie eines Tages zur Seite nimmt und für seine Großzügigkeit sexuelle Gegenleistungen verlangt.

Als Holly sich weigert, vergewaltigt der Mann das verängstigte Mädchen, dem bald klar wird, dass auch Amber und Ruby „Gegenleistungen“ für die Geschenke der Pakistanis erbringen müssen.

Mehr als 100 Mädchen fielen den Banden zum Opfer

Die Polizei verfolgt die Fälle nur halbherzig, Institutionen scheuen vor einem möglichen Rassismus-Vorwurf zurück, Staatsanwälte zweifeln an der Beweislage. Erst als jede der Freundinnen schwanger wird, nimmt sich 2010 eine Sonderkommission der Fälle an.

Dem Dreiteiler von Philippa Lowthorpe (Regie) und Nicole Taylor (Buch) liegen umfangreiche Nachforschungen, Gespräche und Auswertungen veröffentlichter Berichte über einen fast 15 Jahre währenden Skandal in Großbritannien zugrunde, dessen wahres Ausmaß erst durch Recherchen der „Times“ bekannt wurde. Zwischen 1997 und 2012 wurden in Rochdale und Rotherham weit über 100 Mädchen Oper von Vergewaltigung und organisiertem sexuellem Missbrauch.

Unglaubliches Versagen von Polizei und Behörden

Konzentriert sich der 55 Minuten lange erste Teil des preisgekrönten BBC-Dreiteilers auf die Taten der bandenmäßig organisierten Peiniger und das unmittelbare Leid der Opfer, rücken in den gleich anschließenden Folgen zwei und drei das unglaubliche Versagen von Polizei und Behörden sowie die schwierige juristische Aufarbeitung des Missbrauch-Skandals in den Fokus.

Fazit: Die dramatisch verdichtete Geschichte jahrelangen organisierten sexuellen Missbrauchs hinterlässt beim Zuschauer einfach nur Erschütterung und Sprachlosigkeit.

K Donnerstag, 14. Juni, Arte, 20.15 Uhr