Essen. Gerichtsvollzieherin „Billy Kuckuck“ stellt sich in ZDF-Film auf die Seite der Armen. Ein Frühjahrsmärchen mit traumhafter Besetzung.

Wie holt man, nur kraft überzeugender und einfühlsamer Worte, eine Umweltaktivistin aus einem zum Fällen freigegebenen Baum? Was tun, wenn bei einem hoffnungslos überschuldeten jungen Mann nichts zu holen ist – außer einem Dutzend Terrarien voller Giftschlangen? Alles kein Problem für „Billy Kuckuck“. Die empathische Mainzer Gerichtsvollzieherin erledigt ihre Arbeit mit Schwung, Kompetenz und viel Einfallsreichtum.

Diese von der wunderbaren, ganz fein nuancierenden Aglaia Szyszkowitz gespielte Billy ist so unkonventionell wie sympathisch. Dabei drängeln sich Gerichtsvollzieher gemeinhin nicht eben auf den vorderen Plätzen der Beliebtheitsskala. Eine vom Volksmund spöttisch „Kuckuckskleberin“ genannte Justizmitarbeiterin erwartet man deshalb nicht unbedingt als Protagonistin eines Fernsehfilms, der den Start einer neuen Reihe darstellt.

Tochter knüpft Internetkontakt zu dubiosen Enddreißigern

Wenn dazu auch noch, nomen est omen, der Name geradezu programmatisch daherkommt, dann scheinen alle Wege Richtung derbe Persiflage oder knalliges Volkstheater zu führen. Es ist beeindruckend, wie Autorin Kirsten Peters und Regisseur Jan Ruzicka diesen Weg gerade nicht gehen.

Lieben und Leiden der 49-jährigen, geschiedenen Billy scheint tatsächlich wie aus dem echten Leben gegriffen: Sie lässt sich von einem jungen Sanitäter beflirten und steigt zugleich gelegentlich mit ihrem sympathischen Polizisten-Ex (Gregor Bloeb) ins Bett, der wiederum ein Kind mit einer 19 Jahre Jüngeren hat, während die gemeinsame pubertierende Tochter Internetkontakt zu dubiosen Enddreißigern knüpft . . .

Alte Dame soll nach 50 Jahren aus ihrer Wohnung

Die Beziehungskisten, die kleinen Sorgen und Nöte würden in dieser Verdichtung problemlos für mehrere Drehbücher reichen. Doch hier fügt sich alles harmonisch und handlungsfördernd zusammen. Die wahre Herausforderung erfährt Billy im Berufsleben.

Dass sie die Zwangsräumung der 80-jährigen Margot Kühlborn (Monika Lennartz) betreiben soll, geht ihr an die Nieren. Die alte Dame soll nach 50 Jahren aus ihrer vertrauten Wohnung in der Mainzer Altstadt ziehen. Ein junger Schnösel aus offenbar reichem Haus hat Eigenbedarf eingeklagt.

Die Bösen sind gar nicht so böse

Billy setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um die Räumungsklage unwirksam zu machen oder Margot zumindest eine adäquate Ersatzwohnung abseits der Mietskasernen am Stadtrand zu verschaffen. Wenn der Zuschauer längst den glücklichen Ausgang der Geschichte zu kennen glaubt, erfährt das Geschehen eine unerwartete Wende. Denn der vermeintliche Kotzbrocken, der einer alten Frau das Leben willkürlich schwermacht, ist gar keiner.

Billy muss umdenken. Keine Frage, dass sie diesen Frühlingstraum von Fernsehfilm zu einem alle zufriedenstellenden Schluss führt. Wie das Leben für die Beteiligten weitergeht, weiß man nicht. Sicher ist nur: Alles wird traumhaft gut.

Fazit: Ein wunderbares, bis in die Nebenrollen exzellent besetztes Frühjahrsmärchen mit einer traumhaften Aglaia Szyszkowitz.

Freitag, 27. April, 20.15 Uhr, ARD