Berlin. Der Berliner Leonard Carow ist der neue Schauspiel-Überflieger. Die Rolle in „Macht euch keine Sorgen“ war seine schwierigste.

Warum, fragt Leonard Carow in der Berliner Frühlingssonne, warum machen junge Deutsche so etwas? Warum verlassen sie ihre Heimat, um in irgendeinem Krisengebiet im Nahen Osten zu kämpfen? Die Frage treibt ihn um, seit er im vergangenen Jahr zum ersten Mal das Drehbuch zu „Macht euch keine Sorgen“ gelesen hat – dem Familiendrama, das die ARD am Mittwoch ausstrahlt (20.15 Uhr).

Carow schüttelt den wuscheligen Kopf und sagt, dass er noch keine richtige Antwort darauf gefunden hat: „Das Problem hat keine definitive Ursache und keine definitive Lösung.“ Carow sitzt in einem arabischen Restaurant in seiner Geburtsstadt Berlin, vor sich einen Teller Falafel mit Hummus, hinter sich Neuköllner Großstadtgewimmel.

Rolle in Spielbergs Oscar-nominiertem Hollywood-Film „Gefährten“

„Das war meine schwierigste Rolle“, sagt er – ein Satz, der bei anderen 23-Jährigen hohl klingen würde. Aber Carow hat in seinen jungen Jahren schon in rund 30 Filmen mitgespielt, darunter schwere Stoffe wie das in einem Konzentrationslager spielende Drama „Nackt unter Wölfen“ oder „Das Tagebuch der Anne Frank“.

Als er 15 war, wurde Steven Spielberg auf den Berliner aufmerksam und engagierte ihn für seinen Oscar-nominierten Hollywood-Kriegsfilm „Gefährten“. Leonard Carow hat eine beachtliche Vita für sein Alter. Er ist der Überflieger der deutschen Jungschauspieler, 2017 bekam er den Nachwuchspreis der Goldenen Kamera.

Schule konnte Carow nie begeistern

Falk (Tilman Pörzgen) und Jakob (Leonard Carow, re) im ARD-Drama „Macht Euch keine Sorgen“.
Falk (Tilman Pörzgen) und Jakob (Leonard Carow, re) im ARD-Drama „Macht Euch keine Sorgen“. © dpa | Michael Kotschie

Begründung der Jury: Carow spiele mit emotionaler Kraft und bewundernswerter Leichtigkeit. Dabei war er nicht mal auf der Schauspielschule. Was ist sein Geheimnis? Ein Lastwagen donnert über die viel befahrene Berliner Straße, als Carow plötzlich vor einem steht. Er ist gekommen, um über seinen Film und seine Karriere zu sprechen.

Der erste Eindruck: Nun ja, die Aura eines kommenden Stars verströmt er nicht gerade. Carow trägt eine graue Kapuzenjacke mit ausgefransten Ärmeln, auf dem Kopf eine Wollmütze. Er wirkt ein bisschen wie ein aufsässiger Abiturient. Tatsächlich erzählt er kurze Zeit später: „Mir ist die Schule nicht schwergefallen, aber sie konnte mich nie begeistern. Die Werte, die dort vertreten wurden, sind mir gehörig gegen den Strich gegangen.“

Mit einem Blick kann er alles sagen

Im Gespräch ist es mitunter schwierig, Augenkontakt mit ihm herzustellen. Vor der Kamera aber muss Leonard Carow nicht viel sagen, um einen Film zu prägen. Da überzeugt er mit seinen Blicken – auch in „Macht euch keine Sorgen“. Darin sitzt er, der junge Deutsche, der sich der Terrormiliz „Islamischen Staat“ angeschlossen hat, nach seiner Rückkehr in einem Verhörraum und wird von einem misstrauischen Polizisten gefragt, was er denn getrieben habe in Syrien.

Carow lehnt sich in seinem grauen Shirt an die Wand, mit starrer Miene und trotzigem Blick glotzt er sein Gegenüber an und sagt: „Beten, frühstücken, putzen, Koran-Unterricht, Mittag, rumhängen, wieder Koran-Unterricht, Arabisch lernen.“ Ob dieser Typ wirklich nur eine Art arabischen Abenteuerurlaub verbracht hat oder ob er als sogenannter Schläfer zurückgekommen ist, der im Auftrag der Terroristen Anschläge verüben soll?

Erster Dreh mit sieben oder acht Jahren für den „Tatort“

Weder die Zuschauer noch der Filmpolizist wissen es zu diesem Zeitpunkt, was dem Drama eine wuchtige Spannung verleiht. „Es war mir wichtig, dass der Zuschauer trotz allem eine gewisse Sympathie für den Jungen entwickelt“, sagt Carow vor seinem Falafel-Teller. „Ich wollte ihn auf keinen Fall zu stereotyp darstellen.“

Klingt ganz schön routiniert. Er war sieben oder acht, als er für einen „Tatort“ das erste Mal vor der Kamera stand. Der Sohn einer Künstlerfamilie fand das so spannend, dass er nie wieder etwas anderes machen wollte. Deshalb, erzählt er und tupft sich mit einer Serviette den Mund ab, sei das Leben eines Terroristen ganz weit weg von seinem eigenen: Die innere Leere, die manche mit einer Ideologie füllen, spüre er nicht. „Diese Fragen nach dem Sinn des Lebens stelle ich mir auch“, beteuert er: „Bin ich glücklich?“ Er sei froh, „dass ich viele Antworten im Filmemachen finde“.

• Mittwoch, 11. April, 20.15 Uhr, ARD: „Macht euch keine Sorgen“