Essen. RTL startet mit „Jenny – echt gerecht“ eine neue deutsche Serie. Trotz Wirbelwind als Hauptfigur kommt sie nicht so richtig in Fahrt.

Schon in der ersten Minute ist sie so aufgedreht, dass man sich sorgt, sie könnte die falschen Medikamente genommen haben. Hat sie aber nicht, liegt am Drehbuch. Das ordnet Jenny – mit Nachnamen Kramer – in die Kategorie „Wirbelwind“ ein.

Jenny hier, Jenny da, Jenny überall. Groß die Klappe, scharf die Zunge und Ohr und Herz stets offen für die Sorgen und Nöte ihrer Mitmenschen. Dabei hat sie selbst genug Probleme. Herzlich willkommen zu „Jenny – echt gerecht“, dem jüngsten RTL-Versuch, eine neue, erfolgreiche Serie zu starten.

„Chaotisch“ ist eine recht freundliche Umschreibung für das Leben der Frau mit dem Hang zu bunter Kleidung aus den frühen 90er-Jahren – besonders wenn sie glänzt oder lila ist. Zwei Kinder hat sie von zwei Männern, keiner der beiden ist geblieben. Das Geld ist also knapp, und es wird noch knapper, als die Titelheldin als Bedienung im Fast-Food-Lokal ihrer Wahl gefeuert wird, weil sie – ehrlich, wie sie ist – Kunden vor der schlechten Qualität des dort servierten Essens warnt.

Bleibt nur der Unterhalt der Ex-Gatten, den sie vor Gericht einklagen will. Doch leider liegt ihr Anwalt Maximilian Mertens (August Wittgenstein) verkatert im Bett, als es zur Verhandlung kommt, und Jenny sieht keinen Cent.

Altbekanntes neu erzählt

Natürlich lässt sie die Sache nicht auf sich beruhen, sondern marschiert in die Kanzlei, wird dort durch eine Verkettung glücklicher Umstände für die neue Aushilfe gehalten und kann fortan für die Witwen und Waisen Berlins kämpfen – wenn sie sich nicht gerade mit Mertens streitet.

So schleppt dieser weibliche Robin Hood in Pink ukrainische Zimmermädchen an, die der Bürgermeister geschwängert hat, kämpft gegen Immobilienhaie und für Polizisten, die durch bleihaltige Munition vergiftet worden sind. Und wo Mertens Hirn sagt: „Lohnt sich nicht“, antwortet Jennys Herz: „Wir machen trotzdem weiter!“ Unnötig zu erwähnen, dass es zwischen Anwalt und Assistentin knistert.

Birte Hanusrichter (39) spielt die Jenny, und wenn man ihr dabei zusieht, muss man hin und wieder an Josefine Preuss denken. Bei ihrer Serienfigur muss man an ganz viele andere denken. Immer wieder schimmert Danni Lowinski durch und wahrscheinlich hat auch einer der Autoren mal Julia Roberts in „Erin Brockovich“ gesehen und sich gesagt: „Das machen wir auch mal. Nur lustiger.“ Mit anderen Worten: Man hat das so ähnlich schon einmal gesehen.

RTL setzt offenbar auf ältere Zuschauer

Handwerklich ist alles einwandfrei, wirkt aber oft bieder. Das dürfte allerdings weniger mit fehlendem Budget als mit der Zielgruppe zu tun haben. Denn um die ins Internet abgewanderte Jugend zu kompensieren, setzt RTL offenbar immer mehr auf ältere Zuschauer.

Genau die allerdings dürfte Jenny nur mit Mühe erreichen, weil sie beim zeitgleich laufenden „Um Himmels Willen“ bei der ARD sitzen. Viel schlimmer aber noch ist, dass die RTL-Heldin ausgerechnet zum Start gegen den FC Bayern antreten muss, der in der Champions League gegen Sevilla um den Einzug ins Halbfinale kämpft. Das ist dann für Jenny – echt ungerecht.

Fazit: Viel alter Wein in neuen Schläuchen.

Dienstag, 3. April, 20.15 Uhr, RTL