Berlin. Heike Makatsch spielte auch in ihrem zweiten „Tatort“ überzeugend. Der Krimi blieb trotzdem blass und bieder. Droht der Reihe ein Flop?

Zwei Jahre lang mussten „Tatort“-Fans auf einen neuen Fall mit Heike Makatsch als Ellen Berlinger warten. Genug Zeit, sollte man meinen, um nach dem schwachen ersten Fall einen guten Krimi zu machen. Der SWR schaffte es trotzdem, das nächste faule Osterei zu produzieren. Warum die noch junge Reihe zu floppen droht:

Heike Makatsch kann nicht alles rausreißen

Heike Makatsch ist eine tolle Schauspielerin. Das ist einerseits gut, weil man ihr die knurrige Einzelgängerin Ellen Berlinger komplett abkauft. Leider fragt man sich aber auch permanent: Können die anderen nicht auch ein bisschen besser sein?

Hinzu kommt, dass es in der Reihe an interessanten Nebenfiguren mangelt. Die Idee einer starken Frau, die sich trotz Kindern und schwieriger Familiengeschichte alleine durchzubeißen weiß und selbst bei noch so charmanten Flirtversuchen nicht weich wird, könnte vielleicht noch als innovativ durchgehen und allein eine Krimireihe tragen – wenn wir noch in den Neunzigern wären. Sind wir aber nicht.

Der neue Partner

Mit dem Sensibelchen Martin Rascher, der seit Jahren an einem mutmaßlichen Serienmord an Mädchen herumgrübelt, streift ein zweiter, tendenziell nachdenklicher Ermittler durch Mainz. Ergebnis: Die eine knurrt, der andere grübelt, emotional, egal in welche Richtung, wird es selten.

Sebastian Blomberg spielt den Co-Ermittler nicht schlecht. Aber die Macher hätten gut daran getan, Ellen Berlinger einen extrovertierteren Kontrapunkt und damit ein bisschen mehr Dynamik ins Team zu schreiben. Mit Blomberg im Krimi ist es wie mit der alten Patentante zu Ostern: Ist ganz nett, wenn sie da ist, aber wirklich besser macht’s das auch nicht.

Alles anders, alles neu, alles kompliziert

„Tatort“-Teams gewinnen immer auch an Charakter durch die Städte, in denen sie ermitteln, durch die Baustellen, die sie abseits ihres Ermittlerlebens zu bearbeiten haben, durch kleine Konstanten, die sich durch alle Filme ziehen. Der rote Faden im Ellen-Berlinger-Plot? Ellen Berlinger. Alles andere ist viel zu kompliziert.

Nur noch mal zur Einordnung: Im ersten Fall ermittelte die schwangere Berlinger in Freiburg, war dorthin nach 14 Jahren in England zurückgekehrt. Neben dem Fall raubten ihr die mittlerweile demente Mutter und ihre Teenie-Tochter die Nerven. Und einen Partner gab es nicht. Weder privat noch dienstlich.

Nun lebt Berlinger in Mainz. Dort ist sie hingezogen, weil aus ihrer Schwangerschaft ein zwei Jahre altes Mädchen entstanden ist und sie in der neuen Heimat ihre Cousine als Babysitterin einspannen kann. Eine Cousine, die mit ihrem Mann ein italienisches Restaurant führt und sich von einem schmierigen, Schutzgeld erpressenden Gemüsehändler antatschen lassen muss.

Berlinger wird von einem Erzieher aus der Kita angebaggert. Von dem Vater oder den Vätern der Berlinger-Töchter war schon beim letzten Mal keine Rede. Die ältere Tochter aus Freiburg? Wird nur am Rande erwähnt. Die Mutter? Man weiß es nicht. Und dann ist da ja doch wieder dieser zweite Ermittler, über den man allerdings auch so gut wie gar nichts erfährt.

Woanders spricht man vom Kölner Tatort, vom Münster-Tatort, vom Tatort aus Berlin. Die Berlinger-Reihe wird wohl der „Makatsch-Tatort“ bleiben. Alles andere kann man sich eh nicht merken.

Wer kommt auf solche Ideen?

Heike Makatsch musste, was die Drehbücher angeht, beide Extreme durchleben. Konnten die Autoren bei der Arbeit für den ersten Berlinger-Fall gar nicht genug bekommen von (völlig überflüssigen) Handlungssträngen, schien es dieses Mal eher so, dass man noch irgendwie eine halbe Stunde überbrücken musste, weil es sonst nichts mehr zu erzählen gab.

Wie sonst lässt sich die kleine Trittbrettfahrer-Episode erklären, von der diejenigen, die noch nicht eingeschlafen waren, von vornherein wussten, dass sie mit dem Mord nichts zu tun haben wird?

Der zweite „Tatort“ mit Heike Makatsch

Ein vermisstes Kind und eine ungeklärte Mordserie beschäftigen Heike Makatsch in ihrem zweiten „Tatort“. Unterstützung bekommen Ellen Berlinger (Heike Makatsch) und Martin Rascher (Sebastian Blomberg) von dem Gerichtsmediziner Dr. Neuhaus (Martin Glaubacker).
Ein vermisstes Kind und eine ungeklärte Mordserie beschäftigen Heike Makatsch in ihrem zweiten „Tatort“. Unterstützung bekommen Ellen Berlinger (Heike Makatsch) und Martin Rascher (Sebastian Blomberg) von dem Gerichtsmediziner Dr. Neuhaus (Martin Glaubacker). © SWR | Julia Terjung
Die beiden Ermittler müssen Olivia und Armin Blixen (Kathleen Morgeneyer und Robert Schupp) mitteilen, dass ihre Tochter ermordet wurde.
Die beiden Ermittler müssen Olivia und Armin Blixen (Kathleen Morgeneyer und Robert Schupp) mitteilen, dass ihre Tochter ermordet wurde. © SWR | Julia Terjung
Ellen und Martin durchsuchen in dem Fall auch die Wohnung eines vermeintlichen Erpressers.
Ellen und Martin durchsuchen in dem Fall auch die Wohnung eines vermeintlichen Erpressers. © SWR | Julia Terjung
Neben dem verschwundenen Teenager beschäftigt die Kommissare in diesem Fall auch eine Lösegeldforderung und eine unaufgeklärte Mordserie.
Neben dem verschwundenen Teenager beschäftigt die Kommissare in diesem Fall auch eine Lösegeldforderung und eine unaufgeklärte Mordserie. © SWR | Julia Terjung
Ellen Berlinger steht vor einer schwierigen Aufgabe: Die Eltern der verschwundenen 16-Jährigen sind krank vor Sorge.
Ellen Berlinger steht vor einer schwierigen Aufgabe: Die Eltern der verschwundenen 16-Jährigen sind krank vor Sorge. © SWR | Julia Terjung
Was sagt man einer Mutter, deren Kind höchstwahrscheinlich entführt wurde? Ermittlerin Ellen will nichts Unmögliches versprechen.
Was sagt man einer Mutter, deren Kind höchstwahrscheinlich entführt wurde? Ermittlerin Ellen will nichts Unmögliches versprechen. © SWR | Julia Terjung
Olivia Blixen (Kathleen Morgeneyer) trifft sich mit Ellen, um ihr die Lösegeldforderung des Entführers ihrer Tochter zu zeigen.
Olivia Blixen (Kathleen Morgeneyer) trifft sich mit Ellen, um ihr die Lösegeldforderung des Entführers ihrer Tochter zu zeigen. © SWR | Julia Terjung
Ellen macht sich auch Sorgen um den Sohn ihrer Cousine Maja (Jule Böwe). Die beharrt dagegen darauf, dass alles in Ordnung sei.
Ellen macht sich auch Sorgen um den Sohn ihrer Cousine Maja (Jule Böwe). Die beharrt dagegen darauf, dass alles in Ordnung sei. © SWR | Julia Terjung
In dieser Folge lernt Martin Ellens Neffen Jonas kennen.
In dieser Folge lernt Martin Ellens Neffen Jonas kennen. © SWR | Julia Terjung
Jonas (Luis Kurecki) ist ein distanziertes Kind, normalerweise haben Ellen und er ein gutes Verhältnis zueinander.
Jonas (Luis Kurecki) ist ein distanziertes Kind, normalerweise haben Ellen und er ein gutes Verhältnis zueinander. © SWR | Julia Terjung
Viele Anzeichen aber sprechen dafür, dass Ellens Neffe in den Mordfall verwickelt ist, was ihr zu Schaffen macht.
Viele Anzeichen aber sprechen dafür, dass Ellens Neffe in den Mordfall verwickelt ist, was ihr zu Schaffen macht. © SWR | Julia Terjung
Bei der Polizei wird ein blutgetränkter Hoodie abgegeben, den Martin Rascher untersucht.
Bei der Polizei wird ein blutgetränkter Hoodie abgegeben, den Martin Rascher untersucht. © SWR | Julia Terjung
Der Ermittler bittet die Mutter Olivia Blixen, sich den blutbefleckten Kapuzenpulli anzusehen. Könnte er ihrer verschwundenen Tochter gehört haben?
Der Ermittler bittet die Mutter Olivia Blixen, sich den blutbefleckten Kapuzenpulli anzusehen. Könnte er ihrer verschwundenen Tochter gehört haben? © SWR | Julia Terjung
Martin Rascher versucht, die Dinge zu ordnen. Ein erster möglicher Erpresser entpuppte sich als Trittbrettfahrer.
Martin Rascher versucht, die Dinge zu ordnen. Ein erster möglicher Erpresser entpuppte sich als Trittbrettfahrer. © SWR | Julia Terjung
Er hatte gehofft, eine Mordserie endlich aufklären zu können. Aber die Ergebnisse der Verhöre lassen das unwahrscheinlich erscheinen.
Er hatte gehofft, eine Mordserie endlich aufklären zu können. Aber die Ergebnisse der Verhöre lassen das unwahrscheinlich erscheinen. © SWR | Julia Terjung
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Ihren absurdesten Einfall hatten sich die Autoren aber fürs Ende aufgehoben: Die Cousine von Ellen Berlinger will ihren Sohn verstecken, weil der unter Tatverdacht gerät. Wo bringt eine Frau in dieser Situation ihren einzigen Jungen dann hin? Natürlich: zu dem grapschenden Schutzgelderpresser, der dann mit dem Jungen im Hinterzimmer seiner Lagerhalle Dame spielt. Darauf muss man erst mal kommen.

Die guten Nachrichten

Der Saarländische Rundfunk hat bei den Fällen mit Devid Striesow als Hauptkommissar Jens Stellbrink bewiesen, dass alles noch viel schlimmer kommen kann. Und es besteht immer noch Hoffnung, dass Heike Makatsch den „Tatort“-Machern noch eine dritte Chance gibt.