Berlin . Fritz Pleitgen berichtete aus dem Ostblock und war WDR-Intendant. Später half er dem Ruhrpott bei seiner Neuerfindung. Nun wird er 80.

Er wird vor sieben Uhr aufstehen, einen Strandlauf machen, anschließend ein Bad nehmen und danach zurück ins Hotel gehen, wo er und seine Frau frühstücken werden. Und dann? „Ja, dann werde ich wohl zahlreiche Glückwünsche entgegennehmen“, prophezeit Fritz Pleitgen, dessen Stimme noch genauso klingt wie vor 40 Jahren, als er mit Pelzmütze auf dem Kopf aus dem winterlichen Moskau berichtete. Der Journalist und ehemalige WDR-Intendant wird am Mittwoch 80 Jahre alt – und gönnt sich einen Urlaub im Sultanat Oman.

Beruflich hatte er vor allem in Köln sowie in Moskau, Ost-Berlin und Washington zu tun, von wo aus er den Bundesbürgern als ARD-Korrespondent den Alltag in der Sowjetunion, der DDR und den USA näherbrachte. Anschließend war er WDR-Chefredakteur und danach Hörfunkdirektor des Senders.

Die WDR-Jugendwelle Eins Live war seine Idee

Die Liste seiner Verdienste ist lang: Die Gründung der heute noch erfolgreichen WDR-Jugendwelle Eins Live war seine Idee. In seine Amtszeit als Intendant (1995 bis 2007) fällt die Gründung des Ereigniskanals Phoenix ebenso wie die der WDR-Online-Redaktion.

Fritz Pleitgen, damals ARD-Korrespondent in Ostberlin, steht vor dem Staatsratsgebäude am Marx-Engels-Platz.
Fritz Pleitgen, damals ARD-Korrespondent in Ostberlin, steht vor dem Staatsratsgebäude am Marx-Engels-Platz. © dpa | --

Pleitgen, dieser Prototyp eines integren Journalisten, spricht lieber über andere als über sich. Wenn man ihn fragt, welche Leistungen und Erfahrungen seines überaus reichen Berufslebens ihm ganz besonders in Erinnerung geblieben sind, sagt er: „Viel gegeben haben mir die Begegnungen mit Lew Kopelew, Heinrich Böll und Willy Brandt.“

Sein Interview mit Breschnew? „Keine große Sache“

Statt auch nur eine seiner zahlreichen eigenen Leistungen zu erwähnen, erinnert sich Pleitgen also lieber an Treffen mit dem russischen Dissidenten, dem Literaturnobelpreisträger und dem Erfinder der Entspannungspolitik.

Dabei war es Pleitgen, der 1976 als erster westlicher Journalist ein Interview mit dem damaligen Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, geführt hat. Doch er wiegelt ab: Das sei „keine große Sache“ gewesen, behauptet er.

Die Kamera bediente Pleitgen selbst

Damals wartete er zusammen mit Kollegen auf dem Flughafen von Minsk darauf, dass Breschnew den französischen Präsidenten empfängt. Der sowjetische Staatschef winkte den Presseleuten zu. Pleitgen winkte einfach mal zurück und kletterte dann über die Absperrung, um Breschnew ein paar Fragen zu stellen. So einfach geht das, wenn man Pleitgens Courage hat.

Als er im Moskau der 1970er-Jahre Interviews mit dem Dissidenten Andrej Sacharow führte, bediente er selbst die Kamera. Eigene Kameraleute hatte er damals nicht und die, die ihm offiziell von einer sowjetischen Agentur gestellt wurden, wollte er nicht mitnehmen – ihnen vertraute er nicht.

Auch sein Sohn berichtet als Korrespondent aus Moskau

Anschließend sorgte Pleitgen dafür, dass die Filmbänder an den sowjetischen Sicherheitskräften vorbei sicher nach Deutschland kamen. Ihm war bewusst, dass er mit diesem Unterfangen seine Ausweisung riskierte. Die russische Hauptstadt ist eine seiner Leidenschaften.

Fritz Pleitgen, damals Hörfunkchef des Westdeutschen Rundfunks (WDR), sitzt 1995 im WDR-Hörfunkstudio.
Fritz Pleitgen, damals Hörfunkchef des Westdeutschen Rundfunks (WDR), sitzt 1995 im WDR-Hörfunkstudio. © dpa | Roland Scheidemann

Noch heute weiß er ziemlich gut Bescheid, was dort vor sich geht – sein 1976 geborener Sohn Frederik berichtet als Korrespondent für CNN von dort. Der Westen, fordert der Vater, solle „auf Moskau zugehen“.

Für das „Loveparade“-Unglück fühlt er sich mitverantwortlich

Mittlerweile ist der gebürtige Duisburger, der in Bergisch Gladbach lebt, häufiger im Ruhrgebiet als in Russland. Seiner alten Heimat fühlt er sich bis heute verbunden, er sitzt im Kuratorium der Krupp-Stiftung und denkt als Beiratsvorsitzender der Initiative „Glückauf Zukunft“ über die künftige Entwicklung des Reviers nach.

Als Chef der Ruhr 2010 war er einer der wichtigsten Ideengeber der Kulturhauptstadt, das „Still-Leben“ auf der A40 war seine Erfindung. In jenem Jahr ereignete sich auch eine der dunklen Stunden im Leben des Reporters: Dass bei der Loveparade in seiner Geburtsstadt 21 Menschen starben, hat Pleitgen erschüttert. Er fühle sich moralisch mitverantwortlich, sagte Pleitgen damals.

Große Pläne hat der Jubilar nicht mehr

Fragt man ihn nach seinen Plänen, antwortet der Inhaber eines Pilotenscheins zurückhaltend: „Ich fliege da derzeit auf Sicht.“ Mit anderen Worten: Weder schreibt er ein Buch, noch dreht er einen Film. Den Plan, seine Memoiren zu schreiben, musste er wegen einer Herzmuskelentzündung aufgeben. Erst einmal müsse er „das Projekt 80. Geburtstag bestehen“.

Potenziellen Gratulanten sei gesagt: Die Telefonverbindungen ins Sultanat Oman sind sehr gut.