Berlin/Köln. Wolfgang Niedecken ist nun Moderator. Der Kölner führt durch das Magazin „Mann tv“. Im Gespräch gibt er Einblicke ins Familienleben.

Was heißt es eigentlich, ein Mann zu sein? Was macht einen Mann aus, was sollte er können oder tun? Wolfgang Niedecken lacht kurz und zögert lange. „Schwer zu beantworten“, sagt er. Am Ende gibt er einen Einblick in sein Familienleben. „Meine beiden Töchter sind mittlerweile flügge, aber ich habe in den letzten 20 Jahren in einem Haushalt mit drei Frauen gelebt. Und ich kann nicht sagen, dass ich mich da als Gockel oder Familiendespot aufgeführt hätte. Meine Frau ist praktisch der Kapitän vom Ganzen. Die Rollen sind bei uns nicht klar definiert.“

Niedecken ist BAP-Frontmann, Kölsch-Poet, Songschreiber, Maler und Bundesverdienstkreuzträger in einem. Das jüngste Album „Familienalbum – Reinrassije Strooßekööter“ ist erst im Herbst erschienen, ab Mai geht es wieder auf Tour.

Zwischendurch probiert der 66-Jährige nun etwas ganz Neues: Er moderiert die aktuelle Ausgabe von „Mann tv“. Der Ableger des WDR-Magazins „Frau tv“ erscheint in loser Folge immer mit einem anderen Moderator und kümmert sich, na klar, um Männer-Themen.

Er bekam den Beethovenpreis für Menschenrechte

Für Niedecken, das wird bei diesem Telefongespräch klar, teilt sich die Welt nicht vorrangig in Männer und Frauen auf. Eher in Menschen, die in Ordnung sind – und die anderen. Nicht in Ordnung sind Rassisten, Nazis, Menschen, die andere im Internet mit Hass überschütten. Sie nicht noch lauter werden zu lassen, das ist sein Thema. „Man darf denen nicht das Feld überlassen, das wollen die ja nur“, sagt er. „Die wollen einen entmutigen, zur Resignation bringen, und das werden sie von mir nicht kriegen.“

Niedecken ist für sein Engagement – etwa in der Kölner Initiative gegen Rassismus „Arsch huh, Zäng ussenander“ – mehrfach ausgezeichnet worden. Zuletzt 2017 mit dem Beethovenpreis für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion.

Ein starker Typ, in dessen Kindheit eine starke Frau den Ton vorgab: „Ich hatte eine sehr klar denkende, fortschrittliche Mutter“, erzählt er. Gleichzeitig sei er umgeben von Männern aufgewachsen – Vater, Halbbruder, Angestellte im Familienbetrieb. Er habe sich als Kind nie Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, ein Mädchen zu sein. „Das hat dann dazu geführt, dass ich irgendwann Mädchen oder Frauen, die ich bewundert habe, auf ein Podest gestellt habe.“ Ein Fehler, sagt er heute. „Man begegnet sich besser auf Augenhöhe.“

Dass das noch nicht für alle Menschen selbstverständlich ist, zeigt die gesellschaftliche Unruhe, die zusammenfassend #MeToo-Debatte genannt wird. „Was sagen die Männer dazu?“, auch um diese Frage soll es laut WDR heute Abend bei „Mann tv“ gehen. Aber kann man das für alle Männer gleich beantworten? „Nein, das kann man nie“, meint Niedecken, „einige Männer denken so, andere so.“

„Begriff Besetzungscouch hat es gegeben“

Und er selbst? „Mein allererster Gedanke war: Wieso ist das jetzt so eine große Überraschung? Den Begriff Besetzungscouch hat es gegeben, solange ich denken kann.“ Aber es hat niemand das System hinterfragt, oder? „Ja, und das ist erstaunlich. Es wurde allerhöchste Zeit. Ich finde es gut, dass da was in Bewegung gekommen ist. Da muss man jetzt ein bisschen hartnäckig sein und dranbleiben.“

Für Männer, die sagen, sie seien nun verunsichert, wie sie mit Frauen umgehen sollten, hat Niedecken wenig Verständnis. „Tut mir leid, aber jemand, der kein Gefühl dafür hat, wo er anfängt, eine Frau zu belästigen, der hat irgendwie den Schuss nicht gehört.“

Der eine oder andere werde so etwas vielleicht sagen, ohne groß nachzudenken. „Aber wenn man genau überlegt, weiß man doch, ab welcher Stelle man sagt, ,okay, das war soeben eine Abfuhr, hab ich regis­triert, entschuldigen Sie bitte‘. Ich meine, wer ist denn so unsensibel, das nicht zu merken?“

Seine Töchter gaben ihm einen realistischen Blick auf Frauen

Niedecken hat aus erster Ehe zwei Söhne. Hat er seine Jungs und seine Mädchen unterschiedlich betrachtet, oder – ob absichtlich oder nicht – unterschiedlich behandelt? „Ich kann zumindest sagen, dass ich noch sehr viel gelernt habe, seit ich Töchter habe“, sagt er.

Die Frauen von ihrem angestammten Platz auf dem Podest zu holen nämlich, das hat er erst in seiner weiblich dominierten Familie geschafft. „Frauen waren für mich immer nur edle Wesen. Aber hier hab ich zum Beispiel verstanden, dass Frauen auch ganz schön gemein sein können.“ Das habe ihm einen realistischen Blick gegeben. Gut so, sagt er selbst. Für ein Leben auf Augenhöhe.

WDR, Donnerstag, 15. Februar, 22.10 Uhr