Berlin. Heino Ferch schlüpft erneut in die Rolle des Dr. Brock. Der muss in Österreich einen zunächst offensichtlich wirkenden Fall aufklären.

Irgendjemand hat solche Tatorte mal mit dem Wort „Beweisorgie“ getauft: für die Nachbarn vernehmliche Schreie, der Sohn vom Vater im schicken Reihenhaus erschlagen, bizarr-andächtig hat der den Jungen aufgebahrt, ein Familienfoto klemmt zwischen den kalten Händen. Und Papa, dieser ausgetickte Killer, ist flüchtig, offenbar bis an die Zähne bewaffnet.

Vielleicht haben Drehbuchautoren dafür einen Typen wie Heino Ferchs Richard Brock erfunden: den Psychologen, der im menschlichen Abgrund dauerhaft seine Zelte aufgeschlagen hat. Den kantig Wortkargen, dem Shakespeares „Nichts, das so ist, ist so“ zum Leitmotiv seiner Menschensicht geworden zu sein scheint. Nun, er jedenfalls ist es, den die Wiener Polizei um Rat bittet im Fall des offenbar bestialisch ausgerasteten Polizisten Manfred Reiser (Tobias Moretti). Brock kommt, sieht, wittert. Denn was da klar und deutlich vor allen zu liegen scheint, gefällt Richard Brock ganz und gar nicht.

Die Geschichte: düsterer denn je

Im Laufe der Geschichte wird Dr. Brock festgenommen.
Im Laufe der Geschichte wird Dr. Brock festgenommen. © ZDF und Petro Domenigg | Petro Domenigg/ZDF

Es ist der siebte Fernsehfall für den kühlen Piefke von der Donau. Und wer dachte, düsterer könne es im Ermittlerleben des Seelenkundlers eigentlich nicht mehr werden, den belehrt „Wut“ eines Besseren. Die, die diese Geschichte erzählen, tun es in souveräner dramaturgischer Hoheit: Seit Beginn der 2010 gestarteten Thriller-Reihe sind Andreas Prohaska (Regie) und Martin Ambrosch (Buch) ihrem einsamen Helden treu. Er ist ihr Geschöpf. Dürfen sie also alles mit ihm tun, was geht?

Tatsächlich überschreitet „Wut“ insofern Grenzen, als die Register US-amerikanischer Pulstreiber allzu laut gezogen werden. Die Spezialkommandos, die durch Gewächshäuser hetzen, sind kinoreif. Auch die Story, für die das Bild vom Sumpf der Korruption fast zu schwach erscheint, nimmt es mit Hollywoods Verschwörungsstreifen auf. Aber genau das zwingt der Brock-Reihe eine erzählerische Lautstärke auf, die dem Ton dieses Films nicht immer guttut.

Mehr als ein braver Krimi

Dass das Ergebnis dennoch auch diesmal weit mehr als ein braver Krimi für die Konsumcouch ist, bleibt ein Verdienst. Diese Story schielt ganz bestimmt nicht nach der Quote: extrem lang und verrätselt die Exposition. Verschachtelt und bis zuletzt in Teilen schemenhaft: die Chronik des Verbrechens.

Doch ob und wie die treue Schar derer, die zur Hauptsendezeit einschalten, akustisch überhaupt vernehmen können, was da auf der Suche nach einer schrecklichen Wahrheit in Kellern und Kommissariaten vielfach bloß verschwörerisch geraunt, schmerzhaft gestöhnt und heimtückisch gewispert wird, das wird man fragen dürfen.

Schatten eines alten Falls

Bestechend stark ist „Wut“ da, wo die langen Schatten eines alten Falles Brock ein bitteres Heimspiel erleiden lassen. Und das ist bis in kleine Rollen stolz besetzt: Wie Roland Silbernagl, Werner Brix und Erwin Steinhauer die verzweifelte Kälte polizeilichen Korpsgeistes spielen, das brennt sich über den gespielten Augenblick ein. Es steht für jene Kammerspielmomente, die die besten der 90 Minuten sind.

Fazit: Ehrgeizig, doch in seiner Überambition überzogener Beitrag im Zeichen des Bösen.

„Spuren des Bösen – Wut“ ZDF, Montag, 29. Januar, 20.15 Uhr oder in der Mediathek