Berlin. Droht den Lebensversicherungen wegen der Niedrigzinsen der große Crash? Über diese Frage wurde bei „Hart aber fair“ heftig gestritten.

Lebensversicherungen galten mal als sichere Bank für die Altersvorsorge. Zuletzt existierten knapp 90 Millionen Verträge – mehr als es Menschen in Deutschland gibt, weil gerne auch mal zwei oder drei Versicherungen abgeschlossen wurden. Mittlerweile ist die Anlageform aber in Verruf geraten. Die niedrigen Zinsen machen den Anbietern zu schaffen, es mehren sich Warnungen vor einem großen Crash.

Ist da was dran? Darum wird seit Monaten gestritten. So auch am Montagabend bei „Hart aber fair“: „Panikmache oder echte Gefahr?“, fragte Frank Plasberg in die Runde.

Das Problem

Kerstin Becker-Eiselen machte in der Diskussion zunächst ein Mal deutlich, warum das Thema so viele Menschen umtreibt. „Lebensversicherungen werben in der Regel mit großen Versprechungen“, erklärte die Finanzexpertin von der Verbraucherzentrale Hamburg. Welche Summe am Ende garantiert zur Verfügung stehe, werde in den Verkaufsgesprächen häufig nicht genannt. Stattdessen würden Begriffe wie „Garantiezins“ verwendet, die eigentlich Nebelkerzen seien.

Diese Praxis war lange nicht auffällig, weil die Versicherer dank hoher Zinsen solide wirtschaften und so erfreuliche marktabhängige Entwicklungen weiterreichen konnten. Nun aber kommen die Unternehmen in die Bredouille, weil sie in einer Niedrigzinsphase Altverträge mit hohen Verträgen bedienen müssen. Der Effekt für die Versicherungsnehmer: Bei Zuteilung fallen die Zusatzzahlungen häufig geringer aus, als ursprünglich vorgesehen. „Das ist unfair, weil den Verbrauchern etwas anderes versprochen wird“, sagte Becker-Eiselen dazu.

Der Crash-Prophet

Vor diesem Hintergrund warnen Beobachter seit einiger Zeit vor einem Zusammenbruch der Versicherer. Einer dieser Crash-Propheten ist Sven Enger: „Die Lage ist bedrohlich, wir laufen in eine große Katastrophe: Altersarmut“, sagte der Autor, der früher selbst im Versicherungsgeschäft tätig war.

Als Ursache führte Enger nicht nur die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank an. Das Problem habe sich vielmehr über Jahre aufgebaut. Verantwortlich seien auch die Versicherer – und der demographische Wandel, der dazu führe, dass die Gesellschaften in den kommenden Jahren durch viele Auszahlungen zusätzlich belastet würden.

Der Beschwichtiger

„Ich halte das für Panikmache“, erwiderte darauf Peter Schwark. Dem Geschäftsführer des Versicherungsverbandes GDV kam in der Runde die Rolle zu, die Branche zu verteidigen. „Die Versprechen waren realistisch“, sagte Schwark. Doch dann sei die Finanz- und Eurokrise gekommen, die wiederum die Niedrigzinspolitik zur Folge gehabt habe.

Der große Crash droht laut Schwark aber trotzdem nicht. „Wir haben eine Billion Euro angespart“, versuchte er zu beruhigen. Zudem werde die Branche streng reguliert, so dass etwa ein Weiterverkauf von Verträgen an Investoren nur unter strengen Richtlinien erfolge. „Es gibt keinen Crash.“

Sollte man Verträge kündigen?

Doch was sollten Verbraucher tun, die eine Lebensversicherung abgeschlossen haben? ARD-Börsenexpertin Anja Kohl gab dazu klare Empfehlungen. „Eine neue Lebensversicherung abzuschließen rentiert sich nicht mehr, es sei denn es gibt eine staatliche Förderung“, sagte Kohl. Das gelte auch für Verträge, die nach 2005 abgeschlossen wurden.

Policen, die vorher unterschrieben wurden, sind laut Kohl aber durchaus rentabel. Die Zinsen waren damals hoch, die Kosten sind oft schon abbezahlt: „Diese Verträge sollte man nicht kündigen.“ In jedem Fall sollte die Entscheidung aber individuell und sehr genau abgewogen werden: „Wer kündigt, gibt die Police zurück: Das ist die teuerste Variante“, sagte Kohl. Hilfe kann man sich beispielsweise bei den Verbraucherzentralen holen.

Das Fazit

Diese Ausgabe von „Hart aber fair“ lieferte einen guten Überblick zur grundsätzlichen Debatte um Lebensversicherungen. Inhaltlich wurden allerdings überwiegend die Argumente ausgetauscht, die in den vergangenen Monaten schon vielfach zu hören waren. Ein Plus war dabei die verbraucherorientierte Beratung, die allerdings aufgrund der Komplexität des Produkts auch nicht unheikel ist.

Zur Aufklärung trug die Diskussion aber allemal bei. Es zeigte sich, dass die goldenen Jahre der Lebensversicherung definitiv vorbei sind. Ulrich Schneider vom Sozialverband „Der Paritätische“ hatte daher recht, als er feststellte: „Wer nach dieser Sendung noch eine Kapitallebensversicherung kauft, ist selber Schuld.“