Essen. In „Die Betrogene“ will eine Kommissarin den Mord an ihrem Vater aufklären. Der Film ist eine kluge Verkürzung von Charlotte Links Roman.

Der Name Charlotte Link ist inzwischen zur Marke geworden. Kein Wunder also, dass auch das Fernsehen versucht, von der Prominenz der Bestsellerautorin zu profitieren. Immer wieder werden ihre Krimis verfilmt. Nun zeigt die ARD mit „Die Betrogene“ den neuesten Versuch (Donnerstag, 4. Januar, 20.15 Uhr).

Ein Maskierter überfällt Richard Linville in seinem Haus und foltert den pensionierten Polizeichef zu Tode. Wenig später eilt Linvilles Tochter Kate (Peri Baumeister), Beamtin bei Scotland Yard, aus London herbei. Die kontaktscheue junge Frau, die mit dem verehrten Vater ihren letzten Halt im Leben verloren hat, will mehr als nur die Beisetzung organisieren. Gegen den Widerstand des örtlichen Polizeichefs Caleb Hale (Dirk Borchardt) beginnt sie eigene Nachforschungen. Bald ist ein Hauptverdächtiger ausgemacht – ein psychopathischer Gewalttäter, der Richard Linville bei seiner Verurteilung bedroht hatte und der vorzeitig entlassen worden ist.

Zuschauer verliert das Verbrechen aus den Augen

Autor Stefan Wild hat aus der 2015 erschienenen 640-Seiten-Vorlage ein gelungenes Drehbuch destilliert. Einerseits wird der Link-Fan „seinen“ Roman jederzeit wiedererkennen; andererseits ist die Streichung dessen, was im Buch oft wie Füllmaterial wirkt – überflüssige Erzählstränge, Wiederholungen, klischeehaft ausgeweitete Zeichnung der Figuren – ein großer Gewinn. Durch die kluge Verkürzung und Komprimierung wird die psychologische Spannung enorm gesteigert, mit der Folge, dass der Zuschauer das eigentliche Verbrechen immer wieder aus den Augen verliert.

Der pensionierte Polizeichef Richard Linville (Robert Pickavance) wird in seinem eigenen Haus zu Tode gefoltert.
Der pensionierte Polizeichef Richard Linville (Robert Pickavance) wird in seinem eigenen Haus zu Tode gefoltert. © ARD Degeto/UFA Fiction/Gary Moye | ARD Degeto/UFA Fiction/Gary Moye

Weniger ist mehr: Davon profitieren unter der Regie von Andreas Linke vor allem die beiden Protagonisten. Dirk Borchardt ist der an einem Alkoholproblem leidende Caleb Hale, der so viel Kraft gegen seine Sucht aufwendet, dass er kaum noch welche für seine Polizeiarbeit aufbringen kann. Wie Borchardt mit kleinsten Mitteln, leise, zurückgenommen, diesen psychisch und physisch angeschlagenen Ermittler spielt, das lässt fragen, warum dieser exzellente Darsteller so oft in der Rolle des windigen Fieslings oder prolligen Großkotzes verheizt wird.

Hauptdarstellerin ist eine Entdeckung

Selten einmal im Fernsehen präsent und deshalb durchaus eine Entdeckung ist Peri Baumeister, jüngere Halbschwester von TV-Star Muriel Baumeister. Ihre Kate Linville, deren aggressives und unkollegiales Verhalten aus einem Gefühl der Ohnmacht, Verzweiflung und Einsamkeit resultiert und deren hehres Vater-Bild allmählich zusammenbricht (sie ist „Die Betrogene“), ist ein Erlebnis.

Exzellente Darsteller in einer Romanverfilmung, die über die Schwachstellen der Vorlage souverän hinwegspielt.

Donnerstag, 4. Januar, 20.15 Uhr, ARD: „Die Betrogene“