Hamburg . In der Krimifolge aus Hamburg geraten die Ermittler zwischen die Fronten. Ein Fall, in dem die Rechten gleich doppelt geleimt sind.

Ein Fahrzeug, das auf einer Landstraße in die Luft fliegt, eine Rechtspopulistin, die trotz zahlreicher Hassattacken weiter auf ihrem Feldzug für ein „freies Deutschland“ ist. Eine linke Gruppierung, die Anti-Nazi-Parolen schreit und immer dann aufmarschiert, wenn sich „besorgte Bürger“ treffen: Das ist das Deutschland im Jahre 2017. Bis auf den Mordanschlag in der niedersächsischen Provinz, der ist gottlob noch lediglich eine TV-Krimi-Zutat.

Falke (Wotan Wilke Möhring), dieser Impulsbulle und Hitzkopf von Kommissar, der gerne und oft multikultibeseelte Gleichnisse absetzt, muss im neuen NDR-„Tatort“, der den plakativen Titel „Dunkle Zeit“ trägt, Aufklärungsarbeit leisten.

Falke, seine Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) und der gesamte Polizeiapparat geraten unter Beschuss: Können sie die von der autonomen Szene ins Visier genommenen rechten Politiker nicht ausreichend schützen?

Vokabular von AfD und Pegida wird aufgegriffen

Denn dem Mordanschlag fällt Richard Schramm (Udo Schenk) zum Opfer, der Mitbegründer der „Neuen Patrioten“, der mit seinem stramm konservativem Erscheinungs- und Weltbild deutlich an die aktuellen Rechtsausleger im bundesrepublikanischen Parteiengefüge erinnert.

Überhaupt hat in diesem Film vieles Entsprechungen in der Wirklichkeit. Die „Neuen Patrioten“ sind unverkennbar das Ebenbild der AfD, die Witwe Nina Schramm (Anja Kling) als Frontfrau nicht unbedingt eine exakte Kopie von Frauke Petry, aber immerhin doch rhetorisch genauso geschickt. Das AfD-Pegida-Vokabular wird unverfälscht aufgegriffen: „Freiheit verteidigen, weil es sonst niemand macht in diesem Land“, „Das Versagen der Eliten öffentlich machen“, „Islam stoppen“ – die ganzen Alarmrufe, sie sind sattsam bekannt.

Opfermythos soll Wählerstimmen gewinnen

In diese Szenerie der herbeigeredeten Abendland-Apokalypse lässt diese „Tatort“-Folge nun die als persönliche Personenschützer von Nina Schramm abkommandierten Falke und Grosz treten. Falke hält wenig Abstand, Grosz ist professioneller – und bleibt distanziert gegenüber den Einflüsterungen Schramms („Überlegen Sie mal, warum Sie so viel Überstunden machen müssen“).

Die Rechten führen die Polizei vor, und irgendwann dämmert dieser dann endlich, dass hier ein neuer Opfermythos arrangiert werden soll, um Wählerstimmen abzustauben. Das ist der Clou dieses unbedingt parteiischen Krimis (Buch und Regie: Niki Stein) mit grandiosem Finale: Dass er vor dem Hintergrund des allzu bekannten politischen Geschehens ganz unverblümt eine extrafiese Geschichte erzählt, in der die Rechten gleich doppelt geleimt sind.

Fazit: Ein „Tatort“, der sich lohnt. Geht es doch um die Frage, wer alles auf welchem Auge blind ist. Das schöne Antifa-Pärchen, das die Ermittler hinter dem Mord vermuten, ist allein das Schauen wert, und Sophie Pfennigstorf als Flintenweib Paula ist die scheußlich-hinreißendste Doppelagentin, die man sich denken kann.

• „Tatort“, Sonntag, 17. Dezember, ARD, 20.15 Uhr