Berlin. Dienstleistung statt Industriejobs: Bei „Hart aber fair“ wurde die neue Arbeitswelt vor allem am Beispiel der Paketboten diskutiert.

Künstliche Intelligenz und Robotik sind die beiden großen Begriffe, wenn es um die Zukunft der Arbeit geht. Allerdings reicht schon der Blick in die Gegenwart, um fundamentale Veränderungen festzustellen: Statt Industriejobs dominieren zunehmend Tätigkeiten im Dienstleistungssektor, statt fester Verträge haben immer mehr Menschen befristete Jobs. Der unterbezahlte und gestresste Paketbote für diese Entwicklung das Paradebeispiel.

„Ist das die neue Arbeitswelt?“, fragte passend dazu am Montagabend Frank Plasberg bei „Hart aber fair“. Viel wichtiger aber war die Frage, ob diese neue Arbeitswelt zwingend etwas Schlechtes sein muss. Darauf gab es sehr unterschiedliche Antworten.

Der Journalist

Für eine erste Einordnung der Zustände sorgte Dieter Könnes. „Es wird massiver Druck ausgeübt“, berichtete der WDR-Journalist nach Recherchen in der Zustellerbranche. Teilweise hätten Informanten Angst um ihr Leben gehabt. Oft würden die Fahrer weit unter Mindestlohn verdienen.

Die schwierige Lage der Paketboten schilderte Könnes am Beispiel eines Hermes-Fahrers. Dieser erhalte als Subunternehmer 70 Cent pro Paket, müsse aber bis zu drei Mal anfahren, falls er den Kunden nicht antreffe. „Da hat man gleich verloren“, sagte Könnes. Zugleich müssten sich die Fahrer ständig dem Ärger der Kunden stellen, während sich die Vorstände der Unternehmen wegducken würden.

Die Bad Boys

Florian Gerster machten diese Ausführung sichtlich wütend. „Sie gehen mit dem Thema reißerisch um“, hielt der Chef des Bundesverband Paket und Expresslogistik dem Journalisten vor. „Es gibt zigtausende Zusteller, meinen Sie, die müssen alle um ihr Leben fürchten?!“ Außerdem würden viele ihren Job gerne machen. „Wir sollten nicht vom hohen Ross über Ausbeutung sprechen.“

Der Standpunkt war natürlich reichlich wohlfeil, schließlich sind die Probleme in der Branche durchaus systematisch. Schwer vorstellbar etwa, dass etwa Hermes oder DHL von den Bedingungen bei ihren Subunternehmen nichts wissen. Mit einem anderen Punkt hatte Gerster aber durchaus recht: „Es herrscht kein Bewusstsein dafür, welchen Wert diese Dienstleistung hat – und dass das eigentlich ein paar Euro mehr kostet“, sagte er mit Blick auf die vielen Online-Bestellungen. Letztlich könne man die Situation nur verbessern, wenn man der Branche erlaube, mehr Geld zu verdienen.

Unterstützung indirekter Art erhielt Gerster von Roland Tichy, der die Verantwortung kurzerhand auf die Fahrer abwälzte. „Viele Menschen sind bereit, sich ausbeuten zu lassen. Die arbeiten freiwillig, die werden nicht in Ketten vorgeführt“, behauptete der umstrittene Journalist. Selbst Schuld, na klar!

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    Die Freunde des Postmonopols

    Doch ginge es nicht auch ganz anders? „Die Zustellung könnte doch auch von einem einzigen Anbieter geleistet werden“, schlug der Gesellschaftsethiker Bernhard Emunds vor. Schließlich gebe es Bereiche, in denen öffentliche Strukturen besser funktioniere.

    Eine Rückkehr zum Postmonopol? Das konnte sich auch Leni Breymaier gut vorstellen. Schließlich zeige die Diskussion, dass die Privatisierung des Bereichs gescheitert sei. „Die geschieht auf dem Buckel der Zusteller“, sagte die SPD-Politikerin. Die Zustände seien die Folge einer fehlgeleiteten Marktanbetung.

    Die Erwiderung des Abends

    Wurde von Tichy eingeleitet, der an das nationale Gewissen der Unternehmen appellierte. „Die großen Konzerne sind vaterlandslose Gesellen geworden“, sagte der Journalist. „Die Formulierung kommt aus einer anderen Zeit, der 1. Weltkrieg ist 100 Jahre her“, erwiderte der Ökonom Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft.

    Das Fazit

    Die Zustellerbranche ist das große Beispiel, wenn es um die Schattenseiten des Dienstleistungssektors geht. Das wurde auch in dieser Ausgabe von „Hart aber fair“ gut herausgearbeitet.

    Abseits davon blieb die Diskussion aber reichlich vage. Was folgt denn nun aus dem Wandel hin zu mehr Dienstleistung? Und wie kann der Prozess verträglicher gestaltet werden? Zu solchen Fragen blieb der Zuschauer am Ende ratlos zurück. Schade eigentlich, denn das Potenzial dafür hätte die Runde gehabt.