Das ZDF-Drama „Brandnächte“ ist eine bewegende und spannende Psychostudie. Kein einfacher Stoff – aber einer, der noch lange nachwirkt.

Die Berge, der See, ein Steg, ein Boot. Es könnte so idyllisch sein. Doch der Himmel ist grau, und schon bald fällt ein Satz, der zeigt, wie es um dieses Dorf im Voralpenland bestellt ist: „Wenn man hier bleibt, wird man eines Tages vom Berg erschlagen, oder man ertrinkt im See.“ Mancher aber wird auch Opfer einer Gewalttat.

Der Mord an einer jungen Frau liegt lange zurück. Und es wäre längst Gras drübergewachsen, wenn nicht die junge Anwältin Julia Gerber (Sophie von Kessel) Hinweise erhalten hätte, dass es der Falsche ist, der als Mörder ihrer Schwester im Gefängnis sitzt. Gerber, längst erfolgreich in der Großstadt, kommt zurück aufs Land und geht auf Spurensuche.

Stimmung des Verschweigens liegt über dem Dorf

So fangen eine Reihe Krimis an. Doch dieser Stoff ist anders. Das liegt vor allem an der Stimmung des Verschweigens, die wie Blei über den Menschen liegt: Es geht um Wahrheit, um Schuld, um Lebenslügen. Aber nicht nur. Was den Film so anrührend macht, ist die Suche der Menschen nach etwas Glück, das sie sich durch ihre Habgier selbst verbaut haben.

Es ist also ein trostloses Dorf, das Starregisseur Matti Geschonnek und sein Kameramann Theo Bierkens in kühlen blaugrauen Bildern zeigt. Selbst die Sonne, wenn sie sich zeigt, scheint kalt. In den meisten Fällen wird ein Film, der das Depressive geradezu zur Schau stellt, den Zuschauer dazu bringen, früher ins Bett zu gehen.

Doch wer sich auf „Brandnächte“ einlässt, wird die Spannung spüren, die einmal nicht von nervig flachen Dialogen zerstört wird. Es ist eine einfache Sprache, die so klar ist und doch so oft wie eine Metapher auf ein verunglücktes Leben wirkt. Dass der Film nicht langweilig wird, liegt aber vor allem an zwei hervorragenden Schauspielern.

Eine Paraderolle für Nikolaus Paryla

Tobias Moretti – lang ist es her, als er der smarte Ermittler in „Kommissar Rex“ war – spielt jetzt den Polizisten Jens Maurer. Er war es, der vor Jahren den Mord an der jungen Frau aufgeklärt hat. Ob er Fehler gemacht hat? Morettis verschrobene Verschlossenheit steht hier im schönen Kontrast zu einer tiefen Melancholie.

Die bewegendsten Momente sind seine Begegnungen mit dem Vater des Mörders, gespielt von Nikolaus Paryla (78). Paryla, der als Theaterschauspieler schon oft gezeigt hat, wie viel Gesichter das Böse hat, ist auch hier ein diabolischer Charakter. Wie er dasitzt in seinem Rollstuhl und Vögel ausstopft – ein bizarrer Anblick und zugleich ein Sinnbild: Denn in diesem Dorf ist einfach alles bizarr.

Die Beschreibung der Seelenzustände hat Vorrang

Jeder hat hier etwas zu verbergen. Der eine tötet Vögel, der andere ist korrupt, der Nächste geldgierig. Und jeder schläft mit der Frau des anderen. Das ist, zugegeben, ein wenig zu dick aufgetragen. Dennoch ist faszinierend, dass der Zuschauer in diesem Film all die Treulosen eher in ihrer Armseligkeit wahrnimmt. Arme Sünder statt Ganoven.

Diese Seelenausleuchtung ist das Herzstück des Films. Die Suche nach dem Mörder wird dem untergeordnet und wohl deshalb zu routiniert inszeniert. Von Kessel in der Rolle der Aufklärerin schlägt sich tapfer, mehr nicht. Dass Barbara Auer als Psychiaterin etwas blass wirkt, liegt an ihrer Rolle, die ein wenig zu oberflächlich gerät.

Fazit: Bewegendes Drama um Schuld und Sühne. Kein einfacher Stoff, aber einer, der noch lange nachwirkt.

ZDF, Montag, 27. November, 20.15 Uhr