Essen . Der Schauspieler kam 1932 als Sohn jüdischer Eltern in Chemnitz zur Welt. Ein Gespräch zu jüdischen Wurzeln und dem „Tel-Aviv-Krimi“.

Mörderjagd in Israel: Im „Tel-Aviv-Krimi“ (ARD, 20.15 Uhr) müssen die Kommissare klären, warum ein Archäologe ums Leben kam. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf den Vater des Toten, den Holocaustüberlebenden Avram Salzman, gespielt von Michael Degen (85). Ein Gespräch mit dem Schauspieler, der 1932 als Sohn jüdischer Eltern in Chemnitz zur Welt kam.

Sie mussten sich als Kind in Berlin vor den Nazis verstecken. Nun spielen Sie in einem Krimi einen israelischen Archäologen, der ein ähnliches Schicksal erlitten hat.

Michael Degen: Wissen Sie, ich habe mich im Grunde ein bisschen daran gewöhnt, denn ich habe das ja schon mehrmals durchlaufen. Zum Beispiel, als meine Autobiografie „Nicht alle waren Mörder“ verfilmt worden ist. Der Mann, den ich diesmal spiele, hatte außerdem ein sehr viel härteres Schicksal als ich. Ich habe mich ja in Berlin verstecken können und war im Untergrund, aber ich bin nicht in ein Lager gekommen, schon gar nicht in ein Vernichtungslager – das unterscheidet meines sehr vom Schicksal der Filmfigur.

Wie wurde das deutsche Filmteam bei den Dreharbeiten zu „Der Tel-Aviv-Krimi“ in Israel aufgenommen?

Sehr höflich und sehr großzügig. Als die Leute erfuhren, dass ich jüdisch bin und in meiner Kindheit im Untergrund gelebt habe, wurde ich behandelt wie Gott in Frankreich. Als wir zum Beispiel auf Masada drehten, diesem berühmten Festungsfelsen, mussten wir den sehr steilen, schmalen und steinigen Weg zu Fuß hinaufgehen. Da wollte man es mir ersparen und hat mir eine Art Sänfte gebaut. Auf der saß ich dann, und vier starke Männer trugen mich hoch.

Sie haben von 1949 bis 1951 in Israel gelebt. Wieso sind Sie nach Deutschland zurückgekehrt, ins Land der Täter?

Ich bin ja nur nach Israel gegangen, weil ich meinen Bruder wiederfinden wollte, was mir auch gelungen ist. Meine Mutter hatte mir versprochen, dass sie bald nachkommen würde – das hat sie aber nicht eingehalten. Nach zwei Jahren wollte mein Bruder endlich unsere Mutter wiedersehen, und weil ich damals ein Engagement am Kammertheater in Tel Aviv hatte, habe ich ganz gut verdient und konnte ihm den Flug nach Deutschland bezahlen. Ich ging etwas später auch zurück, und wir blieben alle in Deutschland. Ich wollte ja in meinem Beruf arbeiten, und das konnte ich natürlich am besten in meiner Muttersprache.

Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrem Alltag?

Mein Vater war religiös, und ich bin auch ziemlich religiös erzogen worden. Ich habe die Einsegnung, die Bar-Mizwa, durchgestanden und dabei ein großes Kapitel aus der Bibel auf Hebräisch gelesen. Aber nach dem Holocaust und nachdem mein Vater tot war, habe ich jede Religion vergessen, und das hält bis heute an. Er war ja im KZ Sachsenhausen und ist zwar noch rausgekommen, aber bald danach gestorben. Er ist von den Nazis regelrecht kaputt geschlagen worden. Die KZ-Leute wussten, dass er nicht lange überleben würde, wahrscheinlich haben sie ihn nur deshalb gehen lassen.

Donnerstag, 23. November, 20.15 Uhr, ARD, „Tel-Aviv-Krimi“