ARD-Zweiteiler „Brüder“ über die Radikalisierung eines deutschen Studenten. Die Produktion wurde von Islamwissenschaftlern unterstützt.

„Bismillah – im Namen Gottes habe ich mich dazu entschieden, das Glaubensbekenntnis zu sprechen.“ Zu Beginn des Zweiteilers „Brüder“ steht der Informatikstudent Jan Welke (Edin Hasanovic) auf einem Flachdach in Stuttgart. „Möge Allah mein Gebet annehmen.“ Kurze Rückblende. Trance-Bilder aus einem Club. Die Musik dröhnt. Jan mit Alkohol, Jan beim bedeutungslosen Flirt.

Dem Zwischenspiel folgt der Ortswechsel in die eigene Wohnung und am Morgen das Erwachen aus einem schlechten Traum. Das Mädchen verschwindet, der junge Mann ist wieder allein mit seiner inneren Leere. Jan empfindet sein sorgenfreies, gutbürgerliches Leben als sinn- und nutzlos.

Für „Brüder“ hat die ARD ihre Programmplanung geändert. Ursprünglich war der kommende Mittwoch für den zweiten Teil vorgesehen: Nun werden beide Folgen hintereinander gezeigt. Danach porträtiert eine Dokumentation einen jungen Deutschen und dessen Hinwendung zum und seine Abkehr vom Islamismus („Sebastian wird Salafist“).

Jan sucht verzweifelt nach Orientierung und Halt

Jan (Edin Hasanovic) hat sich aus seinem bürgerlichen Leben verabschiedet und lässt sich von Hasspredigern auf den falschen Weg bringen.
Jan (Edin Hasanovic) hat sich aus seinem bürgerlichen Leben verabschiedet und lässt sich von Hasspredigern auf den falschen Weg bringen. © SWR/Züli Aladag | SWR/Züli Aladag

Was mancher als Zumutung sehen mag, nämlich ein reiner „Salafisten-Abend“, ist mit Blick auf die „Brüder“ (im Glauben) eine in der Tat mutige, vor allem aber kluge Entscheidung. Die Spirale der Eindrücke, die einen von der westlichen Lebensweise desillusionierten jungen Deutschen allmählich in die Radikalisierung führt, übt auch dank der fantastischen Darsteller einen unwiderstehlichen Sog auf den Zuschauer aus. Eine einwöchige Pause hätte da nur geschadet.

Der Film von Züli Aladag folgt einem Drehbuch von Kristin Derf-ler, die bei ihren intensiven Recherchen von Islamwissenschaftlern, Nahost- und Militärexperten unterstützt wurde. Während der zweite, in Marokko gedrehte Teil erschreckend realistisch die Terrorherrschaft des IS in Syrien schildert, erzählt der Beginn eher die Geschichte einer zufälligen Entwicklung. Ein labiler Charakter wie Jan, der seine hohen Werteansprüche nirgends erfüllt sieht, auch nicht von sich selbst, und der verzweifelt nach Orientierung, Gerechtigkeit, Führung sucht, hätte in einem anderen Umfeld vielleicht Zuflucht bei einer rechtsradikalen Organisation gefunden.

Ideales Opfer für den Salafistenprediger

Jan ist zwar entsetzt über die Abläufe im Übergangslager und irritiert über eine Handvoll Salafisten, die ihren Brüdern und Schwestern im Glauben Hilfe anbieten, dennoch wird er zum idealen Opfer für den Salafistenprediger Abadin (Tamer Yigit).

Er ist derjenige, der den jungen Männern aus allen Herkunftsländern in seiner Moschee äußerst geschickt ein Gefühl von Zusammengehörigkeit vermittelt, ihnen den Koran nahebringt und bedingungslosen Hass auf Ungläubige und vermeintliche Feinde des Islams einimpft.

Fazit: Der eindrucksvolle Zweiteiler und vor allem Hauptdarsteller Edin Hasanovic müssten 2018 zu den heißen Anwärtern auf die Fernsehpreise gehören.

K ARD, 22. November, ab 20.15 Uhr Teil 1 und 2, 23.45 Uhr „Sebastian wird Salafist“