Berlin. ProSiebenSat.1-Boss Thomas Ebeling hat Analysten erklärt, wie er seine Zielgruppe sieht. Die Beschreibung war wenig schmeichelhaft.

Es ist eine interessante Strategie, die Thomas Ebeling, Vorstandschef der ProSiebenSat.1 Media SE, da offenbar fährt. Oder sagen wir besser: eine halsbrecherische Strategie. Denn der TV-Konzern-Boss hat sich laut dem Branchendienst DWDL abfällig über das eigene Publikum geäußert – und das dürfte weder den Zuschauern selbst noch Werbekunden und Produktionspartnern gefallen.

„All die Hollywood-Blockbuster gibt es auf unseren Sendern und nicht jeder Netflix-Film ist ein Homerun“, verteidigte sich Ebeling demnach in der vergangenen Woche gegenüber Analysten und Börsen-Experten, nachdem er Umsatz- und Gewinnprognosen zuvor nach unten korrigieren musste.

Ebeling lästert über Couch Potatoes

Viele Inhalte der Streamingdienste seien zudem „Arthouse-like“, also nicht massentauglich. Ganz im Gegensatz zum Angebot von ProSiebenSat.1, wie Ebeling offenbar darstellen wollte. Denn man kennt ja seine Pappenheimer. Ebeling: „Es gibt Menschen, ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehnen und gerne unterhalten werden wollen. Das ist eine Kernzielgruppe, die sich nicht ändert.“

Fettleibig und arm? Klingt nicht gerade nach einer Zielgruppe, nach der sich Werbekunden die Finger lecken. ProSiebenSat.1 Media SE rudert deshalb gegenüber DWDL zurück – aber nur ein bisschen.

Kein Dementi von ProSiebenSat.1

„Wir möchten einordnen: Die im Englischen getroffene Bemerkung im Analysten-Call war eine zugespitzte Aussage im Zusammenhang mit einer provokanten Frage durch einen französischen Analysten“, sagte ein Sprecher. Ebeling habe lediglich die gerne von Analysten verwendeten Stereotypen eines TV-Zuschauers auf Englisch reflektieren wollen.

„Wenn man die Bemerkung aus dem Kontext zieht und wortwörtlich übersetzt, kann dies womöglich missverstanden werden. Die reine Textaussage spiegelt weder die Historie noch die Tonalität der Aussagen wider“, so der Sprecher weiter.

Zeit des ProSiebenSat.1-Bosses offenbar gezählt

Ebelings Aussage fällt in eine ohnehin schwierige Zeit für ProSiebenSat.1. Nachdem die Gewinnprognose gesenkt worden war, sackten die Aktien in der vergangenen Woche zeitweise um 11,4 Prozent auf den tiefsten Stand seit Anfang 2013 ab. „Bei ProSieben geht jetzt die Angst um, dass die Aktien aus dem Dax fliegen könnten“, sagte ein Händler der Nachrichtenagentur Reuters.

Auch für Ebeling selbst scheint die Luft dünner zu werden. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ sucht der Aufsichtsrat bereits nach einem Nachfolger. Mit den jüngsten Einlassungen dürfte sich Ebeling nicht gerade mehr Freunde gemacht haben. (cho)