Essen. Der jüngste Spreewaldkrimi im ZDF führt Kommissar Krüger ins Zwischenreich. Die Nahtoderfahrung wird hier in konkrete Bilder gefasst.

Der Uhu ruft, der Nebel wabert. Und Charon, der bleiche Fährmann der Unterwelt, steuert den Holzkahn, mit dem ein deutscher Kriminalbeamter das Zwischenreich durchmisst. Überall im deutschen Fernsehen wäre das mythensatter Kitsch. Der „Spreewaldkrimi“ aber darf das. Gerade eingedenk jüngster Versuche (der „Tatort „Frankfurt Ende Oktober war ja der reine Spuk-Napf à la John Sinclair), das Übersinnliche mit Ermittler-Routine zu versöhnen, zeigt „Zwischen Tod und Leben“, dass ein Krimi weder peinlich noch platt geraten muss, wenn er von Dingen erzählt, die mit Vernunft nicht zu fassen sind.

Wenn also Thorsten Krüger diese nächtliche Reise antritt, irgendwo bei Lübben, von Ufer zu Ufer im fahlen Mondschein mit Menschen konfrontiert, die seine Karriere an der Spree begleitet haben, wenn er den Fährmann (ein Selbstmörder aus der Nachbarschaft) ratlos anblickt und ihn fragt: „Wenn sie tot sind, was bin ich dann?“, dann tut er das mit womöglich letzten Atem.

Thorsten Krüger liegt im Koma

Denn der Nachtmahr auf dem Nachen – mit Mut und viel Feingefühl inszeniert – ist das dunkle Gegenstück zu Krügers Dasein im kaltweißen Krankenhaus. Der Kriminalhauptkommissar liegt im Koma, sein Wohnmobil ging in Flammen auf. Über seinen letzten Fall hat er, als Chef ohnehin kein Kommunikationsgenie, mit niemandem gesprochen. Was war, was ist, was werden wird: Kai Wessels Regie betrachtet auf drei Zeitebenen einen der stärksten Fälle Krügers unterm Brennglas von altem Unrecht und jungen Verfehlungen.

Ehe Krügers rollender Wohnsitz in die Luft flog, beschäftigte den kahlen Querkopf (einmal mehr überragend gut im Spiel der Brüche und doppelten Böden: Christian Redl) eine aus den Fugen geratene Erpressung. Die Gier des Westens, der die eben abgewickelte DDR mit der VEAG 1990 einen maßlosen Stromdeal überstülpte, ist 2017 Gegenstand anonymer Briefe. Alt und reich sind die, die damals aus volkseigenen Grundstücken Kapital schlugen und Jugendlager hektarweise in Golfplätze ummünzten. Ein junges Paar fährt bei aktuellen Erpressungen Trittbrett. Doch der Coup gerät außer Kontrolle. Es gibt Tote und einen Anschlag auf Krüger.

Anrührende Szenen am Bett des Todgeweihten

Mit mustergültigem Gespür für den Erzählrhythmus, den dieses Format braucht, findet Wessel für jeden Strang von Thomas Kirchners clever montierendem Buch den idealen Ton. So besteht die an Stillstand grenzende Totenfahrt, die den Film wie ein schwarzes Band durchzieht, mühelos neben bizarren Verfolgungsjagden in einer alten Studentenkarre. Momenten kaltschnäuziger Aggression, die von alten Kränkungen der West-Okkupation erzählen, stehen anrührende Szenen am Bett des Todgeweihten gegenüber. Nicht zuletzt die exquisite Musik Ralf Wienrichs, gespielt vom Filmorchester Babelsberg, prägt die ästhetische Güte des Films.

„Zwischen Tod und Leben“ wagt er, das Spekulative der Nahtoderfahrung in konkrete Bilder zu fassen. Dass einen, den der Sensemann schon an Bord genommen hat, ausgerechnet ein Mörder ins Leben zurückholt, verzeiht man diesem starken Stück Fernsehen.

Fazit: Unter den Spreewaldkrimis einer der Besten.

ZDF, 13.11., 20.15 Uhr