Berlin. Bei Sandra Maischberger zeigte sich: Die Debatte über Zuwanderung ist nicht einfach. Vor allem die Union tut sich mit dem Thema schwer.

Es geht also auch anders. Wer Mittwochabend den Fernseher einschaltete, war geneigt, sich verwundert die Augen zu reiben. Seit fast genau zwei Jahren diskutiert Deutschland darüber, wie Zuwanderung am besten begrenzt werden kann.

Und was macht Sandra Maischberger? Die Moderatorin drehte die Debatte einfach um: „Ausländer rein! Was bringt ein Einwanderungsgesetz?“, lautete das Thema einer Sendung, die – zum ersten Mal seit langem – wieder einen positiven Grundton in der Debatte über Migration setzen sollte. Weg von den Risiken, hin zu den Chancen.

Einwanderungsgesetz: Grüne und FDP machen Druck

Das ist löblich, denn die Zuwanderungsdiskussion war viel zu oft verengt auf das Thema Asyl. Dabei ist die deutsche Wirtschaft dringend auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Ein Punkt, den Grüne und FDP mit Nachdruck in den Sondierungsgesprächen über eine neue Bundesregierung mit der Union vertreten wollen.

Nur: CDU und CSU sträuben sich bisher. Auch Wolfgang Bosbach, der aus dem Bundestag scheidende Innenexperte der Union, denkt da nicht anders. In Maischbergers Runde fiel ihm die Rolle des Mahners und Bremsers zu. „Wir haben in Deutschland ein Aufenthaltsgesetz, das regelt, wer unter welchen Voraussetzungen kommen darf“, sagte er. Das sei zwar kompliziert, reiche aber aus.

Kanada gilt als Vorbild – doch taugt es dafür?

CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und Volker Beck von den Grünen.
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach und Volker Beck von den Grünen. © WDR | Max Kohr

Der Grüne Volker Beck und die stellvertretende FDP-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann hielten mit pragmatischen Argumenten dagegen: Deutschland sei ein Einwanderungsland, ein entsprechendes Gesetz erkenne diese Realität an. Und: Allein die demographische Entwicklung sorge für zusätzlich eine Million pflegebedürftige Menschen in den nächsten Jahren – für deren Versorgung Arbeitskräfte fehlten.

Doch noch immer scheint das Jahr 2015 die Union wie ein Trauma zu verfolgen. Damals strömten Hunderttausende nach Deutschland, in der Bevölkerung machte sich die Sorge breit, dass der Staat die Handlungsfähigkeit verloren habe. „Das darf nicht nochmal passieren“, sagte Bosbach. Und wieder landeten Einwanderung und Asyl in einem Topf.

Dabei ist doch gerade die Differenzierung ein Ziel des Gesetzes – so wie in Kanada. Wer dort zuwandern will, muss sich bewerben und wird entsprechend eines Punktesystems ausgewählt. „Das kanadische System ist sehr streng“, sagte der Sozialwissenschaftler Ruud Koopmans.

Ein Syrer zeigt, wie abstrakt die Debatte sein kann

Die Grünen fordern mehr Humanität, die FDP will klare Regeln, die Union auch, aber kein Gesetz: Hier knirscht es bei „Jamaika“, unüberbrückbar waren die Gegensätze aber nicht, die Maischbergers Gäste vortrugen. Die großen ideologischen Schlachten scheinen auch in der Migrationspolitik geschlagen.

Wie abstrakt die politische Debatte manchmal sein kann, wurde deutlich, als Sandra Maischberger den syrischen Flüchtling Alan Ezzat in die Runde bat. Der studierte Lehrer floh über die Türkei und Griechenland nach Deutschland, hier arbeitet er in einer Zeitarbeitsfirma.

Seine Frau und das kleine Kind musste er zurücklassen, der Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge ist bis mindestens März 2018 ausgesetzt. „Ich habe meinen Sohn seit zwei Jahren nicht gesehen“, sagte Ezzat. Soll einem Mann aber, der innerhalb kürzester Zeit Deutsch gelernt und eine Arbeit gefunden hat, der Familiennachzug verwehrt bleiben?

Warum lässt ein junger Mann seine Familie allein?

Der Syrer Alan Ezzat.
Der Syrer Alan Ezzat. © WDR | Max Kohr

Doch auch eine andere Frage ist legitim: Warum floh der junge Mann überhaupt, ließ seine Familie zurück? Ezzat erzählte, dass er dem Regime von Präsident Assad die Loyalität verweigerte. Weil es Winter war, und die Reise nach Europa gefährlich, floh er allein. Die Familie lebe heute in einem kleinen Dorf an der türkischen Grenze, beschützt von kurdischen Soldaten.

FDP-Vize Strack-Zimmermann sagte, der Syrer sei ein Beispiel für die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes. Das ermögliche die Bewerbung für einen dauerhaften Aufenthalt – und damit den Familiennachzug. Eine Aussage, die Volker Beck überhaupt nicht gefiel: „Das ist unseriös!“, blaffte er. „Herr Ezzat arbeitet als Leiharbeiter, das hat nichts mit seiner Qualifikation zu tun. Dafür ist ein Einwanderungsgesetz nicht da“, so Beck. Der Grüne wünschte sich, dass Bürgerkriegsflüchtlinge auch so wieder mit ihren Familien zusammen gebracht werden.

Runde diskutierte über ihn, aber nicht mit ihm

Mit Alan Ezzat sprach da schon niemand mehr. Die Runde diskutierte zwar über ihn, aber nicht mit ihm. Erst kurz vor Schluss, als Sandra Maischberger schon zum „Nachtmagazin“ abgeben wollte, fragte der Syrer schüchtern, ob er noch etwas sagen dürfe. „Leider nein“, würgte die Moderatorin ab.

Damit war wohl alles gesagt.

Die komplette Sendung finden Sie in der ARD-Mediathek.