Berlin. . „Ich war eine glückliche Frau“ ist eine Geschichte zwischen Paranoia und Einsamkeitsfantasmen. Es ist ein feinfühliges Familiendrama.

Wie sieht das eigene Leben eigentlich von außen aus? Als Eva Sanders (Petra Schmidt-Schaller) mit müdem Blick vor ihrem ehe­maligen Zuhause steht, kann sie selbst kaum glauben, wie schnell alles den Bach hinuntergegangen ist. Nicht einmal ein Jahr ist es her, dass sie hier mit Mann, Kind und Lebensversicherung hinter Roll­rasen-Terrasse und geblümten ­Gardinen lebte. Und heute? Heute erkennt sie sich selbst nicht mehr.

Als dann ihre altersschwache, ehemalige Nachbarin Silvia (Imogen Kogge) stirbt, wird der alleinerziehenden Mutter ein Spiegel vorgehalten. Denn der Witwer der Nachbarin konfrontiert sie mit dem Geständnis, dass er und seine Frau ihre Familie über Jahre hinweg akribisch beobachtet haben. Und als wäre das noch nicht genug, erfand die Rentnerin dazu gleich eine Art Telenovela, die mit der Wahrheit nur noch wenig zu tun hatte. In der Rückschau erfährt der Zuschauer von diesen Gespinsten.

„Ich war eine glückliche Frau“

Das Drama „Ich war eine glückliche Frau“ ist eine Geschichte zwischen Verfolgungswahn und Einsamkeitsfantasmen, die Regisseur Martin Enlen („Wilsberg“, „Der weiße Afrikaner“) nach einer Novelle der niederländischen Schriftstellerin Margriet de Moor erzählt: Gekonnt spielt der Film mit den Ängsten und Sehnsüchten unserer Zeit. Dabei stellt er neben die Zuckerwatte-Szenarien, die die alte Dame sich aus dem Alltag ihrer Nachbarn zusammenspinnt, die realen Erlebnisse Evas – und lässt den Zusammenprall beider Welten für sich sprechen. In sensiblen Bildern erzählt er so ein ganzes Leben aus zwei Blickwinkeln.

Dabei sind es vor allem die scheinbaren Nebensächlichkeiten, die dem Zuschauer die Dehnbarkeit der eigenen Wahrnehmung vor ­Augen führen. Während Silvia ihrem Mann beispielsweise auf­geregt vom roten Lippenstift erzählt, mit dem Eva auf einer Gartenparty alle Blicke auf sich zog, war dieselbe Farbe für Eva damals ein trauriges Manöver, um die Gäste von ihren verheulten Augen abzulenken. Denn während Silvia sich immer mehr in das vermeintlich erfüllte Leben der anderen hineinsteigerte, zerbrach es in Wahrheit.

Eine Besessenheit und zwei zerstörte Beziehungen

So erzählt der Film nicht nur von einer Besessenheit, sondern auch von zwei zerstörten Beziehungen. Die langsam verfallende Ehe Evas auf der einen, der längst aufgegebene Lebensabend Silvias auf der anderen Seite – beide scheitern auf ihre Weise, nur wenige Schritte voneinander entfernt.

Die anrührende Silvia taugt dabei trotz ihres Stalkings nicht zur wahnwitzigen Voyeurin: Für sie wird die Scheinwelt vor ihrem Fenster vielmehr zur Sehnsuchtsvision – und wer hat sich noch nie gefragt, was die Nachbarn eigentlich so treiben? Und so bespielt der Film trotz der Groteske Themen, die jeden angehen: Einsamkeit im Alter und Sprachlosigkeit zwischen Nachbarn etwa, vor allem aber verpasste Chancen und bröckelnde Träume, verschleiert durch den schönen Schein.

Fazit: Feinfühliges Familiendrama, das auf kluge Weise Glücksversprechen unserer Gesellschaft hinterfragt.

Mittwoch, 18. Oktober 2017, ARD, um 20.15 Uhr