Berlin. Betroffene statt Politiker: Frank Plasberg wählte am Montagabend bei „Hart aber fair“ einen ungewöhnlichen Zugang zum Thema Pflege.

Die Pflege spielte im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Die Kanzlerin lobte die von ihrer Regierung eingeleiteten Maßnahmen – und kündigte für den Fall einer erneuten unionsgeführten Regierung weitere Schritte an. Ihr Widersacher Martin Schulz übte dagegen Kritik und versprach, den Bereich mit viel Geld zu stärken.

Nach der Bundestagswahl stellt sich nun die Frage, was von derlei Ankündigungen übrig bleiben wird. Bei „Hart aber fair“ kamen am Montagabend Praktiker und Betroffene zu Wort, um konkrete Forderungen zu formulieren.

Ein alter Bekannter gegen einen Ökonomen

In der Diskussion wurde schnell deutlich, dass es zwei Möglichkeiten gibt: Entweder die Allgemeinheit investiert mehr in die Pflege – oder die Kosten werden durch private Vorsorgeversicherungen an jeden Einzelnen ausgelagert.

Diese Gemengelage führte zu einer hitzigen Debatte. Im Zentrum: Alexander Jorde, angehender Krankenpfleger, der zu bundesweiter Bekanntheit kam, weil er in der ARD-Wahlarena die Kanzlerin für ihre Untätigkeit beim Thema Pflege attackierte. Und Jochen Pimpertz, Gesundheitsökonom beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft.

Privatvorsorge oder höhere Beiträge?

Klar, dass Pimpertz für die private Vorsorge argumentierte. „Nicht der Staat muss alles lösen, sondern wir selber“, sagte der Volkswirt. Die geburtenstarken Jahrgänge hätten die Unterfinanzierung der Pflege herbeigeführt, indem sie weniger Kinder gekriegt hätten. Nun könne man nicht erwarten, dass die kommenden Generationen dieses Problem alleine lösten. „Das muss man auch mal sagen, wenn es um Solidarität geht“, befand Pimpertz.

Jorde sah das ganz anders. „Wie soll man denn privat vorsorgen, wenn man zum Beispiel nur Mindestlohn verdient?“, fragte der Azubi. Das von Pimpertz vorgeschlagene System könne zwar wie in den USA dazu führen, dass die Pflege besser werde. „Aber nur für die, die es sich leisten können.“ Stattdessen müsse die Allgemeinheit stärker in die Pflicht genommen werden, damit wirklich jeder in den Genuss von guter Pflege komme. „Wir bauen keine Autos, wir pflegen Menschen.“

Seit 20 Jahren Pflegenotstand

Mit seinen Ausführungen hatte Jorde einen Punkt. Hinzu kommt, dass es die Forderung nach mehr privater Vorsorge in vielen Bereichen gibt, etwa auch bei der Rente oder gegen die Berufsunfähigkeit. Das können viele nicht mehr stemmen.

„Ich kenne Menschen, die können sich auch 20 Euro im Monat nicht leisten“, sagte Claudia Moll. Die Altenpflegerin sitzt bald für die SPD im Bundestag und will dort für eine bessere Pflege streiten. „Ich habe schon vor 20 Jahren gegen Pflegenotstand demonstriert, aber es wird immer schlimmer.“

Die Betroffenen

Der Moderatorin Andrea Kaiser und dem Schauspieler Samuel Koch, der seit seinem Unfall bei „Wetten, dass...“ im Rollstuhl sitzt, kamen in der Sendung die etwas undankbare Rolle der Betroffenen zu. Immer wieder fragte Gastgeber Frank Plasberg etwa bei Koch nach, wie dessen Erfahrungen mit der Pflege nach dem schlimmen Sturz bei „Wetten, dass...?“ ausfallen.

Er berichtet davon, dass seine Atemmuskulatur nicht mehr richtig funktioniere. „Wenn sich da Schleim ansammelt, und man kann sich nicht räuspern, das ist nach wie vor die häufigste Todesursache bei Querschnittsgelähmten“, sagt er und erzählt von einer für ihn lebensbedrohlichen Situation.

Weil er plötzlich nicht atmen konnte, habe er geklingelt – doch keine der Pflegekräfte sei erschienen. „Mein Vater hat mir mit einem Beatmungsbeutel das Leben gerettet“, beschrieb Koch die personelle Unterbelegung, die er erlebte.

Kaiser berichtete, wie schwierig der Umgang mit ihrem demenzkranken Vater ist. Einerseits sei ihre Mutter durch die Pflege sehr belastet. Andererseits wolle die Familie den Vater natürlich auch nicht in ein mit Pflegern unterbesetztes Heim abschieben. „Man denkt erst an die Pflege, wenn man in die Situation kommt.“

Das Fazit

„Wir wollen heute Abend einen Beitrag zur Regierungsbildung machen – und zwar ohne das Wort ‚Obergrenze‘ zu benutzen“, hatte Plasberg zu Beginn der Sendung angekündigt. Tatsächlich wurde durch den Streit zwischen Jorde und Pimpertz nur deutlich, wo die Konfliktlinien verlaufen – ohne dass konkrete Forderungen formuliert wurden.

Allerdings könnte dies bereits ausreichen. Falls das Jamaika-Bündnis zustande kommt, wird sich die Pflege jedenfalls wohl eher im Sinne von Pimpertz entwickeln: SPD und Linke, die explizit mehr Geld investieren wollten, werden nach Stand der Dinge in der Opposition sitzen.