München. . Drastische Bilder und Töne prägen den Münchener „Tatort: Hardcore“. Für eine ernsthafte Studie des Porno-Milieus fehlt aber die Tiefe.
Die erdrosselte Pornodarstellerin auf dem Boden, daneben ein Planschbecken voll mit männlichen Körpersäften, in das die Kamera reinhält: „Hardcore“ heißt der aktuelle Münchener „Tatort“, und dass er das ernst meint, daran lassen die Auftaktbilder wenig Zweifel.
Für öffentlich-rechtliches Viertelnachacht-Fernsehen ist das eine gewagte Veranstaltung. Nicht, weil Voyeure ihre Freude haben könnten bei diesem Krimi, der sich in der Pornofilm-Industrie bewegt. Da gibt es mit zwei Klicks im Internet logischerweise mehr zu sehen als bei der ARD. Aber der Ekel, der sich bei den alten Polizeikumpeln Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) im Laufe ihrer Ermittlungen in Münchens Schmuddelecken einstellt, den vermittelt Autor und Regisseur Philip Koch mit drastischen Bildern und krassen Formulierungen.
Hilflose Versuche, dem Zuschauer Porno zu erklären
Eher zu belächeln sind die hilflosen Versuche, das Pornogeschäft und die zuweilen bizarren Praktiken, die es abbildet, in einer Art Volkshochschulkurs fürs Fernsehpublikum zu vermitteln. Kriminalassistent Kalli (Ferdinand Hofer) klärt seine beiden Chefs auf, die angewidert (Batic) oder zuweilen amüsiert (Leitmayr) reagieren. Dass erwachsene Polizisten bei dem Thema ahnungslos erscheinen, mag glauben, wer will.
Während Kalli und sein Kollege den Pornodreh durchforsten, nachdem die Hauptdarstellerin Marie getötet wurde, und unter den vielen maskierten Männern den Täter suchen, klappern Batic und Leitmayr die Verdächtigenliste ab. Dabei sind vor allem die rivalisierenden Schmuddelfilmer doch sehr klischeehaft geraten: Sam Jordan (Markus Hering), ein alter Schmierlappen, der in seinem holzvertäfelten Reihenhaus der Ära der Lederhosenfilme nachtrauert, und Olli Hauer (Frederic Linkemann), ein Möchtegernproduzent, der sich mit billigsten Internetfilmchen über Wasser hält.
„Hardcore“ im Münchner „Tatort“
Figuren fehlt die Tiefe
Von der Melancholie, die bei den Münchener Kommissaren stets mitschwang, wenn Liebe und Triebe ihre Fälle einmal bestimmten, ist nichts zu spüren. Eher verständnislos blickt man die Figuren an, denen die Tiefe für eine ernste Auseinandersetzung mit dem Thema fehlt. Wie Maries ehemalige Kollegin Stella (Luise Heyer), die, warum auch immer, den bürgerlichen Zwängen ihrer Partnerschaft entfliehen will und sich wieder für Pornos anheuern lässt. Dass die Ermordete ausgerechnet Tochter eines Staatsanwaltes war, durch dessen Augen nun die Gnadenlosigkeit des Pornomarktes destilliert wird, wirkt dick aufgetragen.
Der Humor, den Koch zur Überbrückung all der Abgründe einsetzt, in die wir blicken, ist für sich genommen erheiternd, in der Gesamtbetrachtung aber eher verstörend. Wenn Leitmayr in einer Drehpause mit zwei nackten Burschen am Küchentisch diskutiert, die eine Hand am Wurstbrot haben und die andere mit eindeutigen Bewegungen unter dem Tisch, darf man das in seiner Lakonie amüsant finden. Doch es passt zum Anspruch einer harten Milieustudie nicht wirklich. So gibt es von allem ein bisschen. Und das ist zu wenig.
Fazit: Harter Stoff mit Humoranflügen. Passt nicht.
• Donntag, 8. Oktober, 20.15 Uhr, ARD: „Tatort. Hardcore“