Essen. Im Drama „So auf Erden“ mimt Edgar Selge einen frommen Gottesmann auf Abwegen. Trotz guter Schauspieler verzettelt sich die Geschichte.

Pastor Johannes Klare (Edgar Selge) und seine Frau Lydia (Franziska Walser) sind ein freikirchliches Traumpaar. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen; ihre kleine Gemeinde in Stuttgart leiten sie mit Sanftmut, Herzblut und Nächstenliebe.

Sie sind davon überzeugt, dass sich das Leben unter Kontrolle behalten lässt, solange man Gottes Regeln befolgt. Für scheinbar jede Frage, die sich ihnen stellt, finden sie eine Antwort in der Bibel.

Umso erschütterter sind sie, als sie merken, dass ihr ebenfalls mit Bibelzitaten begründetes Engagement für den jungen, obdachlosen und drogensüchtigen Simon (Nachwuchs-Star Jannis Niewöhner) ihr Leben mehr durcheinanderbringt, als ihnen lieb ist. Der Film ist allerdings schon zur Hälfte vergangen, da weiß der Zuschauer immer noch nicht so recht, um welches der vielen angesprochenen Probleme in der Gemeinde es eigentlich geht. Wird Simon als unzuverlässiger Suchtcharakter lügen, stehlen und die Menschen, die ihm helfen wollen, diskreditieren?

Pastorenpaar lässt das Chaos um sich wachsen

Plant der wohlhabende Gläubige Volker Reiche (Peter Jordan), der mit verdächtig großen Geldspenden wedelt, das Pastorenpaar heimlich zu entmachten? Und stiehlt Lydias Neffe Bernd, der in Geldnot geraten ist, tatsächlich regelmäßig aus der Kollekte? Es werden hier einige Konfliktszenarien angelegt, und lange steht das Pastorenpaar ein bisschen naiv wirkend in der Mitte und lässt das Chaos um sich wachsen. Mit Gottvertrauen.

Doch dann, nach 45 Minuten, geht’s los: Das gerettete verlorene Schaf Simon knutscht plötzlich und unerwartet am Missionsstand der Gemeinde mit seinem Freund. Darauf war niemand vorbereitet, auch der Zuschauer nicht. Für die bibeltreuen Klares ist die Homo­sexualität ihres Schützlings ein Pro­blem. Sogar mit einem Exorzisten wird geliebäugelt. Aber das war’s noch lange nicht. Achtung, Vorab-Information: Pastor Klare ist selbst schwul. Er hatte es nur verdrängt, weil er es für eine Krankheit gehalten hatte.

Strengreligiöse sollen zum Nachdenken angeregt werden

Es vergeht fast eine Stunde, bis der Film, der bis dahin nicht die geringste Andeutung gemacht hat, worauf er hinauswill, mit diesem Überraschungscoup um die Ecke kommt. Ein Pastor, der unter seinem eigenen, aufrichtig geliebten und gelebten Glauben zu zerbrechen droht: Das ist ein interessanter Stoff. Auf den hätte man sich konzentrieren sollen, anstatt so viele Umwege zu gehen. Nach ARD-Information haben mehrere Beteiligte Erfahrung in freikirchlichen Gemeinden gemacht, weshalb ihnen das Thema besonders am Herzen lag.

Nicht-Freikirchler sollten Einblicke in die Strukturen bekommen, die für Freikirchler Alltag sind – und man hofft, Strengreligiöse zum Nachdenken über den Umgang mit „Abweichlern“ anzuregen. Das ist ehrenwert, aber es rächt sich künstlerisch. Nie wird man das Gefühl ganz los, dass hier eine Botschaft vermittelt werden soll. Und dann erfährt man auch noch zu spät, welche es ist.

Fazit: Gute Schauspieler, aber die Geschichte will zu viel und verzettelt sich dabei.

ARD, Mittwoch, 4. Oktober, 20.15 Uhr