Essen. Der ARD-Film „Willkommen bei den Honeckers“ ist eine unausgegorene Komödien-Mischung. Er zeigt den SED-Politiker als todkranken Alten.

Soll man nun Mitleid haben mit diesem tatterigen Rentner in Filzpantoffeln, der mit aufgerissenen Augen fragt: „Was wollen die Leute von mir, warum lassen sie mich nicht in Ruhe sterben?“ Der alte Mann ist Erich Honecker, und daher fühlt man sich unwohl, ihn plötzlich – so hilflos, wie er da im Wohnzimmer steht – als tragische Figur zu empfinden.

Immerhin stößt Regisseur Philipp Leinemann für ein paar Minuten die Tür zu einer zwiespältigen Gefühlswelt auf: Darf man den Unbeugsamen, der die tödlichen Schüsse an der Mauer befahl, so zeigen? Der Rest will nur Komödie sein, wie der Titel seines Films schon ahnen lässt: „Willkommen bei den Honeckers“.

Leinemann und Drehbuchautor Matthias Pacht haben ein historisches Schelmenstück von journalistisch und moralisch fragwürdiger Qualität verfilmt: die Geschichte des späteren „Bild“-Reporters Mark Pittelkau, dem es mit dubiosen Tricks gelingt, sich ein letztes Interview mit dem ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden im chilenischen Exil zu ergaunern.

Ein aussichtsreicher Stoff für eine Satire. Die Macher aber setzen ihn erst einmal eine Stunde lang zu fröhlich dahinplätschernder Vorabendserienmusik mit Ossi-Klischees von Plattenbausiedlungen, Freikörperkultur und Beamtenkarikaturen in den Sand.

Journalisten gelingt der Zugang zu Honeckers Haus

Pittelkau heißt hier Johann Rummel (farblos: Max Bretschneider), ein Tunichtgut mit großer Klappe und dem Traum, Journalist zu werden. Mit seinem Kumpel Maik (Maximilian Mauff) fudelt er sich regelmäßig zur Prominenz durch, die es bis Frankfurt an der Oder schafft, und ergattert dabei zweifelhafte Interviews. Das Lokalblatt druckt ihn, aber das reicht ihm nicht. Die Eltern wollen, dass er in die Lehre geht, die Freundin (Cornelia Gröschel) ist mit seinem journalistischen Ehrgeiz überfordert.

Das ist brav und vorhersehbar, und wenn die Möchtegern-Reporter nackt am Strand auftauchen, wo ihnen ein alter SED-Apparatschik (Thomas Thieme) erklärt, dass es hier noch nie FKK gegeben habe, fühlt man sich, als sei man in eine RTL-Klamotte geraten.

Umso erstaunlicher, dass Leinemann im letzten Drittel die Kurve kriegt und der Film einen völlig anderen Ton anschlägt. Dem jungen Aufsteiger ist es gelungen, ins Haus der Honeckers zu kommen, die ihn für den Gründer einer neuen sozialistischen Jugendbewegung in der alten Heimat halten.

Der Mann mit der hohen, sich überschlagenden Stimme

Martin Brambach und Johanna Gastdorf retten diese letzte halbe Stunde mit einer brillanten Vorstellung: sie als kaltes Biest, misstrauisch, immer auf der Lauer, er als Todkranker, der sich vom Glücksgefühl blenden lässt, dass er noch Bewunderer hat. Brambach meistert die anspruchsvolle Kür, den Mann mit der hohen, sich überschlagenden Stimme samt seiner hohlen Phrasen nicht zur Karikatur verkommen zu lassen, mit Bravour.

Ein hartes Stück Arbeit, denn natürlich hatte Honecker karikaturhafte Züge. Und als man sich über das Mitleid ärgern möchte, das man in sich aufsteigen spürt für den Alten, der reingelegt wird, senkt Brambach, ohne die maskenhafte Miene zu verändern, die Temperatur auf Eiseskälte. Auf die Frage nach den Schüssen an der Mauer sagt Honecker nur: „Hat sie ja keiner gezwungen, das Land zu verlassen, die wussten doch, was ihnen blüht.“

Fazit: Unausgegorene Komödien-Mischung.

Dienstag, 3. Oktober, ARD, 20.15 Uhr