Berlin. Auch die zweite Ausgabe von „Ein Mann, eine Wahl“ enttäuscht die Erwartungen. Starke Momente hatte die ProSieben-Politikshow aber.

Es gibt Fragen, die man eigentlich nicht stellen muss. Natürlich ist der Kapitalismus für eine Linken-Politikerin an allem Schuld: Armut, Umweltzerstörung, Rassismus. Aber weil die Menschen das einfach nicht verstehen, wählen sie Parteien, die das System tragen – und eben nicht die Linke.

Willkommen in der Welt von Katja Kipping. Die Parteivorsitzende der Linken schafft es in wenigen Sätzen, ihr schlichtes Weltbild einem Massenpublikum zu präsentieren. Und sich selbst zu demontieren. Das lag aber gewiss nicht an den messerscharfen Fragen, mit denen sich die Politikerin am Montagabend konfrontiert sah. Denn auch in der zweiten Ausgabe der ProSieben- Politikshow „Ein Mann, eine Wahl“ wuchs Moderator Klaas Heufer-Umlauf selten über die Rolle des braven Stichwortgebers hinaus.

Heufer-Umlauf serviert die Vorlagen

Das ist schade, denn hier wurde eine Chance vertan. Das junge Publikum, das mit dieser Form der politischen Berichterstattung erreicht werden sollte, bekam viel Altbekanntes zu hören. Jens Spahn etwa, der dem konservativen Flügel der CDU angehört, dozierte, dass man natürlich kein Abitur brauche, um in Deutschland Karriere zu machen. Ungleichheit sei für ihn in Ordnung, wenn derjenige, der mehr leistet, auch mehr verdient. Wer will da widersprechen?

Die Spitzenkandidaten der Bundestagswahl

Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013.
Sie ist zum vierten Mal angetreten und siegte erneut: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Partei CDU die Wahl gewonnen – wenn auch mit herben Verlusten: 26,8 Prozent holten die Christdemokraten. Das sind 7,3 Prozent weniger als bei der Wahl 2013. © dpa | Michael Kappeler
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann.
Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der als Spitzenkandidat der CSU in den Wahlkampf zog, hatte das schlechte Abschneiden seiner Partei Folgen: Zwar haben alle Direktkandidaten der CSU den Sprung in den Bundestag geschafft – von der Landesliste gelang das aber keinem. Darunter auch Herrmann. © dpa | Matthias Balk
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein.
Als der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD ernannt wurde, waren die Hoffnungen auf einen Machtwechsel groß. Sie zerschlugen sich: Mit Schulz als Spitzenkandidat fuhr die SPD mit 20,5 Prozent des schlechteste Ergebnis überhaupt ein. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent.
Cem Özdemir und die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gingen als Spitzenduo in die Bundestagswahl. Nachdem die Grünen laut Umfragen zeitweise um den Einzug in den Bundestag bangen mussten, holten sie am Ende souverän 8,9 Prozent. © imago | Jens Jeske
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein.
Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch wollten den Platz der Linken als drittstärkste Kraft im Bundestag unbedingt verteidigen. Zwar holten sie 9,2 Prozent und damit mehr als bei der letzten Wahl 2013. Stärkste Opposition ist die Linke aber nicht mehr. Diesen Platz nimmt nun ausgerechnet die AfD ein. © dpa picture alliance | Emmanuele Contini
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen.
Christian Lindner ist das Gesicht der FDP – und konnte die FDP wieder in den Bundestag bringen. Nur die AfD konnte den Liberalen, die 10,7 Prozent holten, den dritten Platz streitig machen. © picture alliance / Maurizio Gamb | dpa Picture-Alliance / Maurizio Gambarini
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent.
Alice Weidel und Alexander Gauland haben die AfD als Spitzenkandidaten auf Platz drei geführt. Insgesamt holten die Rechtspopulisten 12,6 Prozent. © picture alliance / Uli Deck/dpa | dpa Picture-Alliance / Uli Deck
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Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) durfte sich dafür feiern, dem Hass im Netz den Kampf angesagt zu haben. Heufer-Umlauf servierte dem Minister eine Vorlage, als er etwa fragte, ob die Plakate der AfD nicht klar rassistisch seien. Maas begann mit der Meinungsfreiheit, die viel toleriere, um am Ende doch bei der Gesellschaft zu landen, die Rechtspopulismus nicht unwidersprochen hinnehmen dürfe.

Immer die gleichen Fragen

Heufer-Umlauf ist natürlich kein Journalist und bei ProSieben steht Unterhaltung im Zweifel vor Information. Nur so lässt sich das Konzept erklären, in dem Klaas sich dreiteilte und den Politikern mal als Konservativer (rauchend, im schwarzen Pulli), mal als Linker (natürlich rot gekleidet) und als irgendwo in der Mitte Stehender gegenüber trat. Dumm nur: Die Fragen waren irgendwie immer die gleichen.

So wählen die Promis bei der Bundestagswahl

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    Auch die Treffen mit Promis, in der ersten Folge mit Musiker Bela B., in der Zweiten mit Fußballspieler Toni Kroos von Real Madrid, lieferten wenig Erhellendes. Immerhin: Kroos verriet, dass Bundeskanzlerin Merkel sich für Fußball interessiere und man mit ihr „ganz normal“ reden könne. Damit wäre das auch geklärt.

    Schärferer Ton nur bei Alice Weidel

    Leider wirkte das ganze Konzept der Sendung zu fahrig, oft zu bemüht, um wirklich zu überzeugen. Dabei blitzte in der zweiten Ausgabe kurz auf, welches Potential in „Ein Mann, eine Wahl“ steckte. Dann nämlich, als Heufer-Umlauf auf AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel traf. Ihr saß der vermeintlich liberale Klaas (im grauen Pulli) gegenüber, doch Heufer-Umlauf vergaß schnell seine eigene Rolle. Mit einem deutlich schärferen, ja fast zornigen Ton fragte er Weidel, wie sie zum Begriff „völkisch“ stehe, den Parteichefin Frauke Petry gerne wieder positiv besetzen möchte.

    Das sind die Gesichter der AfD

    Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt.
    Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt. © Getty Images | Volker Hartmann
    Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD.
    Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD. © Getty Images | Volker Hartmann
    Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei.
    Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei. © Getty Images | Volker Hartmann
    Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg.
    Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg. © dpa | Ralf Hirschberger
    Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen.
    Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen. © dpa | Martin Schutt
    Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien.
    Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien. © imago stock&people | Stefan Zeitz
    Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen.
    Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. © imago | Müller Stauffenberg
    Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt.
    Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt. © Getty Images | Sascha Schuermann
    Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017.
    Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017. © dpa | Rolf Vennenbernd
    Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin.
    Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin. © dpa | Jens Büttner
    Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ...
    Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ... © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
    ... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen.
    ... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen. © dpa | Michael Kappeler
    Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus.
    Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus. © dpa | Federico Gambarini
    Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament.
    Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament. © Getty Images | Carsten Koall
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    Und zur Überraschung der Zuschauer versuchte Weidel nicht, sich herauszureden, den Medien die Schuld zu geben oder dem politischen Gegner: „Ich glaube nicht, dass man das Wort positiv aufladen kann und man sollte es auch nicht“, sagte sie.

    Als Klaas hinter der Bühnenfigur hervortritt

    Als sie doch auf den Vorwurf zu sprechen kam, dass sie versuchen könnte, sich herauszureden, funkte Heufer-Umlauf sofort dazwischen: „Das habe ich doch gar nicht gesagt“, blaffte er zurück. Hier trat der Mensch mit klarer Haltung hinter der Bühnenfigur hervor – der mit Abstand stärkste Moment der Sendung.

    Leider war der Rest vor allem eines: Durchschnitt mit viel Klamauk. Ganz zum Schluss saß der Moderator allein in der vor einer Party zerstörten WG, die als Setting diente, und nahm ein Video für sich selbst auf. Darin machte er deutlich, dass es bei der Bundestagswahl um viel ginge. Sein Schlusswort: „Verkackt’s nicht“. Das zumindest ist Pro Sieben nicht gelungen.

    Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe der Sendung auf www.prosieben.de