Essen. Im ZDF-Melodram „Nie mehr wie es war“ fühlt sich ein Vater um sein Leben betrogen: Er entdeckt, dass sein Sohn ein „Kuckuckskind“ ist.

Dass „Familie“ manchmal ein wackliges Konstrukt sein kann, davon wusste schon William Shakespeare, der in seinen Dramen regelmäßig Clanfehden zum Blutbad ausarten ließ. Und auch Jahrhunderte später noch sezieren Werke wie Tracy Letts’ „Im August in Osage County“ mit schonungsloser Präzision die zerstörerischen Mechanismen von Familien, die sich durch ihre Stellungskriege selbst an den Rand des kollektiven Nervenzusammenbruchs treiben.

Wie brüchig diese Scheinwelten sein können, entlarvt nun auch das Drama „Nie mehr wie es war“ von Regisseur Johannes Fabrick und Autorin Britta Stöckle. In klaren, kühlen Bildern erforschen die beiden, wie ein zu lange gehütetes Geheimnis anschwillt und schließlich gleich ein ganzes Lebenskonzept in sich zusammenfallen lässt.

Tomas findet heraus, dass Milan nicht sein Sohn ist

Im Zentrum des 90-minütigen Melodrams steht das Mittvierziger-Paar Nike (Christiane Paul) und Tomas (Fritz Karl). Gemeinsam führen sie eine kultige Musikkneipe und ziehen in gesetzter Altbau-Atmosphäre ihren 17-jährigen Sohn Milan (Matti Schmidt-Schaller) groß. Alles gut, für den Moment. Als Tomas jedoch per Zufall herausfindet, dass Milan gar nicht sein leiblicher Sohn ist, zerspringen die Familienbande in Sekundenschnelle wie ein zu straff gespanntes Perlenarmband.

Milans Lehrerin, Frau Krug (Kathrin Anna Stahl), sagt Tomas Frese (Fritz Karl), dass Milan (Matti Schmidt-Schaller) schon länger nicht mehr in der Schule war.
Milans Lehrerin, Frau Krug (Kathrin Anna Stahl), sagt Tomas Frese (Fritz Karl), dass Milan (Matti Schmidt-Schaller) schon länger nicht mehr in der Schule war. © ZDF und Erika Hauri | Erika Hauri/ZDF

Den Zerfall der Familie schildert Regisseur Fabrick in durchaus eindrucksvollen Szenen. „Wo fährst du hin?“, fragt der kernige Familienvater Tomas einmal mit panischem Unterton, während seine Frau Nike das Lenkrad umklammert – und das Auto direkt gegen die Wand setzt. Mit ausdruckslosem Gesicht starrt sie durch die Scheibe ins Leere: Alles egal. Denn vor die Wand gefahren ist sie mit ihrem Leben längst.

Ein verzweifelter Mann schlägt um sich

Leider entpuppt sich der Scherbenhaufen, vor dem die Familie daraufhin plötzlich steht, manchmal als Komposthügel kultureller Klischees, aus dem die Handlung wenig überraschende Brocken ausgräbt: Wie sich zum Beispiel die verlassene Nike durch ihre zusammengefallene Wirklichkeit weint, wie ihr Sohn plötzlich die Rolle des Erwachsenen übernehmen muss, wie die Versöhnungsversuche der Eltern immer wieder an verletztem Stolz scheitern. Das alles mag zwar lebensnah sein, innovativ inszeniert ist es jedoch nicht.

Spannend hingegen wird Tomas’ Ausbruch: Anstatt sich mit angemessen verhaltener Wut die Wunden zu lecken, schlägt der bisher liebenswerte Familienvater nämlich in einen wütenden Egomanen um. Der Schmerz des Vertrauensbruchs entlädt sich in Zorn.

Der Vater fängt sich nicht – und steht plötzlich außerhalb der Gesellschaft

Tomas will nicht nur die sofortige Scheidung und eine Entschädigung für all die Jahre, in denen er ein „fremdes Kind“ aufgezogen hat, er bricht auch emotional mit allen Anstandsregeln: Die Anrufe seines unschuldig verschmähten Sohnes ignoriert er. Eine Figur, die ganz Gefühl ist und sich so mit einem Mal außerhalb der Gesellschaft wiederfindet – das hätte vermutlich auch Shakespeare gefallen.

Fazit: Trotz einiger Klischees: intensiv gespieltes und psychologisch plausibles Drama.

• Montag, 18. September, 20.15 Uhr, ZDF