Essen. Im „Tatort“ aus der Schweiz ähnelt der Tote einem Firmenchef, der seit 13 Jahren als tot gilt – eine ansprechende Krimi-Unterhaltung.
Drama auf der Autobahn bei Luzern: Ein Mann springt nachts von einer Brücke, knallt an die Windschutzscheibe eines Fernbusses und wird dann von diesem überrollt. Der Busfahrer Beni Gisler (Michael Neuenschwander) ist außer sich, tritt wütend auf den Toten ein.
Eine verstörende Reaktion, und ein drastischer Auftakt der neuen „Tatort“-Folge aus der Schweiz. „Zwei Leben“ heißt sie (Drehbuch: Felix Benesch, Mats Frey; Regie: Walter Weber), und schnell erfahren die Zuschauer, warum der Busfahrer sich so abstoßend verhielt: Bei seinem früheren Job als Lokomotivführer überrollte er gleich zwei Lebensmüde, bekam dadurch psychische Probleme und musste sich eine neue Stelle suchen. Jetzt bricht das alte Trauma wieder auf.
Aber wollte der Mann von der Brücke sich überhaupt selbst töten? Die Kommissare Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) sowie Forensikerin Corinna Haas (Fabienne Hadorn) haben Zweifel. Eine erste Spur führt Flückiger und Ritschard in die Baubranche. Der Tote ähnelt einem Firmenchef – der gilt allerdings schon seit 13 Jahren als tot.
Der Schweizer „Tatort: Zwei Leben“
Experimente und Action bieten Schweizer Kommissare nicht
Nach dem spektakulären Einstieg lassen es die Ermittler etwas ruhiger angehen. Experimente, Action und Tempo darf man von den Schweizer Kommissaren bekanntlich nicht erwarten. In der „Tatort“-Gemeinde sind sie deshalb umstritten, die Quoten für die ARD meist enttäuschend. Viele Zuschauer kritisieren zudem, dass die Synchronisation vom Schweizerdeutschen ins Hochdeutsche künstlich klingt.
Bei aller Kritik: Insgesamt ist bei den Fällen aus Luzern seit zwei, drei Folgen ein qualitativer Aufwärtstrend zu verzeichnen, an den auch diese Episode anschließt. Zwar bleibt die Bildsprache konventionell, die Story ist nicht herausragend ausgeklügelt.
Dafür gibt es aber interessante Einblicke in die inneren Verfassungen einiger Figuren. Allen voran der traumatisierte Busfahrer, der irgendwann erfährt, dass es möglicherweise einen Mörder gibt, und diesen auf eigene Faust sucht.
Michael Neuenschwander, Ensemble-Mitglied am Schauspielhaus Zürich, spielt diesen seelisch verwundeten Mann exzellent. Ein starkes Gegenüber findet er in der Züricherin Stephanie Japp, die sich in der Rolle als Psychologin Dr. Sonja Roth um den Busfahrer kümmert.
Einblicke ins private Kommissar-Leben zünden nicht
Enttäuschend sind dagegen die kurzen Szenen aus dem Privatleben von Kommissar Flückiger. In der bislang letzten Folge sah man ihn erstmals mit seiner Freundin Eveline Gasser (Brigitte Beyeler). Jetzt geht es darum, ob er bei ihr einziehen soll. Die etwas blasse Figur Flückiger soll durch diese Einblicke ins Private mehr Konturen bekommen. Allerdings dürfte der Erzählstrang dann gern auch etwas aufregender sein. Und warum bekommt das Privatleben seiner Kollegin Ritschard nicht auch mehr Raum? Gleichberechtigung, bitte!
Fazit: Entschleunigte, aber ansprechende Krimi-Unterhaltung mit interessanten Figuren und starken Darstellern. Die Schweizer „Tatort“-Ermittler sind auf einem guten Weg.
ARD, Sonntag, 17. September, 20.15 Uhr