Hamburg. Auf Arte ist feiner österreichischer Humor zu sehen. Die Multikulti-Komödie „Kebab extra scharf!“ erzählt von zwei Wirten in Wien.

Kebab oder Kaiserschmarrn – das ist bei Mustafa (Tim Seyfi) und Johann (Andreas Vitasek) die hart umkämpfte Frage. Die beiden Österreicher, einer mit Ursprung in der Türkei, einer so wienerisch, dass sein Dialekt für Deutsche nur mit ein bisschen Extra-Anstrengung zu verstehen ist, sind im 16. Bezirk der österreichischen Hauptstadt unfreiwillig zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden.

Wie das genau passiert ist, hat Wolfgang Murnberger in seiner Komödie „Kebab mit Alles“ aus dem Jahr 2011 erzählt. Jetzt kommt die Fortsetzung, gut zu erkennen am Titel „Kebab extra scharf!“ Und es ist schnell klar: Der kulturelle Kleinkrieg der beiden Wirte ist noch lange nicht zu Ende. Und der gemeinsame Raucherraum ihrer beiden Lokale bietet die Arena dafür.

Menschliche Sicht auf typische kulturelle Konflikte

„Glauben Sie, dass ich erst wieder gut schlafen kann, wenn ich tot bin?“, fragt Johann, klassisch Wienerisch auf der Couch liegend, seinen Therapeuten. Der verschreibt erst einmal Schlafmittel gegen die Albträume, in denen Johann plötzlich schreckerfüllt mit einem orientalisch anmutenden Schnurrbart aufwacht.

Sein traditionelles Kaffeehaus „Prinz Eugen“, das er mit seiner patenten Frau Sophie (Fanny Stavjanik) führt, läuft nicht mehr so recht. Die Menschen kaufen anscheinend tatsächlich lieber Mustafas Kebab als Sophies Kaiserschmarrn – und das, obwohl sie dafür ausgezeichnet wurde: Der beste Kaiserschmarrn im 16. Bezirk! Die Mietschulden bei Mustafa, der seit Kurzem Besitzer des Hauses ist, drücken, der Rausschmiss droht. Diese Schmach, von einem Türken ausmanövriert zu werden ...

Die Angst vor einer „Überfremdung“ durch andere Kulturen und die Probleme, die Traditionen aus alten Zeiten in moderne Familien bringen: Hier treffen sie munter aufeinander. Das wird mit feinem Humor erzählt, und jeder steht dabei mal schlecht, aber nie ohne nachvollziehbare Motive da – eine sehr menschliche Sicht auf typische kulturelle Konflikte. Garniert wird das mit besonders schönen Dialogen (Buch: Murnberger mit Tac Romey und Don Schubert).

Werbung für Gaststätten und gelungene Integration

Ein gemeinsamer Fernsehauftritt soll Mustafa und Johann Werbung für ihre Gaststätten bringen – und für allem für gelungene Integration. Statt dort aber friedliches Multikulti-Miteinander zu demonstrieren, beleidigt Johann die Türken, sie hätten ein Problem mit dem Geruchssinn, der Kebab stinke, und es beginnt die schönste Prügelei. Also kein Werbeerfolg. Auch in diesem Klamauk steckt ein ehrlicher Blick auf das Zusammenleben von Menschen, egal, mit welchem kulturellen Hintergrund: Wenn sich Konflikte anstauen, wenn keiner von seinem Standpunkt abweicht und keiner redet, explodiert’s gerne zur Unzeit.

Was Johann noch nicht ahnt: Mustafa kämpft mit ganz eigenen Problemen: Sein Schwiegervater, der Familienpatriarch (Hasan Ali Mete), rollt mit dem Bus aus Istanbul an. Er hatte den Hauskauf finanziert und erwartet nun eigentlich, dort ein großes türkisches Restaurant vorzufinden. Die Kebabbude in der einen Ecke reicht nicht. „Über deine Ehre brauchen wir überhaupt nicht mehr zu reden. Die ist weg! Das gibt ein Blutbad!“, stellt der Cousin, die Vorhut des Patriarchen, fest. Dieser dominante Ehrbegriff ist hier ebenso Ziel des Spotts wie die latente Fremdenfeindlichkeit Johanns.

Vom Kaffeehaus zu einem türkischen Restaurant

Regisseur Murnberger schafft es mit dieser Haltung, niemanden vor den Kopf zu stoßen – und trotzdem nicht in lahme Harmoniesucht zu verfallen. Menschen und Strukturen, die für die Konflikte verantwortlich sind, werden mit Scharfsinn porträtiert. Aber eben nicht verurteilt.

Der verzweifelte Johann könnte schließlich seine Mietschulden loswerden – wenn er sich auf einen Deal mit Mustafa einlässt: Er soll sein geliebtes Kaffeehaus vorübergehend zu einem türkischen Restaurant werden lassen. Was braucht er, um das ertragen zu können? Klar, einen Schnurrbart.

Bei Beschneidung nimmt der Film eine klare Haltung ein

Als der größte gesellschaftliche Konflikt, der sich in diesem Kosmos auftut, erweist sich die vom Patriarchen verlangte Beschneidung von Mustafs Sohn Kemal (Roland Sommer), samt Riesenfest und Glitzerkostüm. Da tun sich Abgründe ungeahnten Ausmaßes auf, befeuert noch von Kemals großer Schwester (Antonia Moretti), die ihren Bruder einen Feigling schimpft, weil er sich nicht beschneiden lassen will. „Lass dich doch selber beschneiden“, sagt er. Hier nimmt der Film klare Haltung ein: Es wäre schön, wenn man offen drüber reden könnte.

Fazit: Intelligente Komödie über Probleme, die entstehen, wenn Vorurteile und zu viel der Ehre das Zusammenleben der Kulturen diktieren. Es ist nicht nötig, Teil eins zu kennen, um Teil zwei genießen zu können.

Arte, Donnerstag, 14. September, 20.15 Uhr