Berlin. Schwarz-Grün passt auf Landesebene. Und im Bund? Diese Frage stellte Anne Will am Sonntag Wolfgang Schäuble und Cem Özdemir.

Christdemokraten und Grüne, das ist in Deutschland längst kein Gegensatz mehr. Angela Merkel hat ihre Partei konsequent in die Mitte geführt – und die Grünen sind in ihren Positionen zunehmend weniger fundamental. Kein Wunder also, dass Schwarz-Grün auf Landesebene immer häufiger zusammengeht.

Und im Bund? Den Umfragen zufolge ist das Wunschprojekt von nicht wenigen Vertretern der beiden Parteien derzeit nicht denkbar. Eine dreier Konstellation gemeinsam mit der FDP könnte sich aber durchaus ergeben. Was würde das bedeuten? Und wie nah sind sich CDU und Grüne mittlerweile eigentlich? Diesen Fragen ging am Sonntagabend Anne Will im Gespräch mit Wolfgang Schäuble und Cem Özdemir nach.

Bloß keine Koalitionsaussagen!

Was angelegt war wie ein Talk über Koalitionen, sollte nach dem Willen der beiden Gäste bloß kein solcher werden. Und doch ließ sich das kaum verhindern. So berichtete Wolfgang Schäuble etwa, dass es nach der Bundestagswahl beinahe zu Schwarz-Grün gekommen wäre. Sogar Horst Seehofer habe damals eingewilligt. Letztlich aber seien die Verhandlungen dann von Jürgen Trittin gestoppt worden. „Angela Merkel sprach damals von einem offenen Fenster, jetzt ist es zu“, sagte der Finanzminister, offenbar mit Blick auf die Umfragen.

Auch Cem Özdemir versuchte, ein klares Bekenntnis zu Schwarz-Grün zu vermeiden, auch wenn er wie kaum ein anderer grüner Spitzenpolitiker für die Variante steht. Doch auch ohne eine klare Aussage schien seine Präferenz ständig durch: „Bei Herr Schäuble ist es immer so: Er sagt großartige Sachen, aber es wird nichts passieren, wenn die Grünen nicht dabei sind“, sagte er etwa an einer Stelle. Erst kürzlich hatte Özdemir zudem gesagt, dass er auf eine Zwei-Parteien-Koalition hinarbeite – und die Grünen gerne in Regierungsverantwortung führen möchte. Ein solcher Zustand wäre dann Schwarz-Grün, oder? Diese Frage wollte der Spitzenkandidat partout nicht beantworten.

Große inhaltliche Nähe

Trotz dieses rhetorischen Lavierens wurde dank einer beharrlichen Gastgeberin schnell deutlich, wie nahe sich die Grünen à la Özdemir und die CDU à la Schäuble mittlerweile sind. „Niemand hat sich mehr für den Klimaschutz eingesetzt als die Kanzlerin“, betonte der Finanzminister ein urgrünes Thema. „Man muss anerkennen, dass die Union unter Angela Merkel viel Ballast abgeworfen hat“, lobte auf der anderen Seite Özdemir mit Blick auf den Atomausstieg und die Ehe für alle.

Überhaupt zeigte sich Schäuble erstaunlich flexibel. „Wir sind nicht beständig auf dem Weg, uns den Grünen anzunähern, aber die Gesellschaft verändert sich unaufhörlich“, sagte der Finanzminister. Wenn eine Partei diese Veränderung nicht mitgehe, wolle sie nur nostalgisch die Vergangenheit gestalten wollen. Auf dieser Grundlage rechtfertigte er auch Merkels Vorgehen bei der Ehe für alle. „Die Mehrheit der Bevölkerung war dafür, das ist doch in Ordnung.“

Auf der anderen Seite war auch Özdemir bereit, Zugeständnisse zu machen. Beim Ende des Verbrennungsmotors hat er jedenfalls zuletzt moderatere Töne angeschlagen. Statt 2030 als festes Datum zu fordern, formulierte der grüne Spitzenkandidat nun nur noch den „Einstieg vom Ausstieg“ als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung – ein Standpunkt, der abseits von rhetorischen Findigkeiten exakt dem der Merkel-CDU entspricht.

Der Spruch des Abends

Kam von Schäuble. Als Özdemir sich in eine etwas pathetische Rage darüber geredet hatte, dass er Politik nicht wegen der Dienstwagen, sondern der Inhalte wegen mache, antwortete der im Rollstuhl sitzende Finanzminister trocken: „Meinen Sie, ich mache Politik der Dienstlimousinen wegen?!“

Das Fazit

Ungewöhnliches Thema, klare Gesprächsführung: Diese Ausgabe von „Anne Will“ war erhellend. Es zeigte sich: Wenn es das Wahlergebnis hergibt, würden beide Seiten gerne miteinander koalieren.

Die Harmonie zwischen den Schwaben Schäuble und Özdemir war jedenfalls kaum zu trüben. Da durfte auch das ein oder andere Späßchen nicht fehlen. „Frau Merkel wirkt neben Putin, Erdogan und Trump wie eine Lichtgestalt“, stellte Özdemir an einer Stelle fest. „Sie ist eine, sie ist eine“, warf Schäuble grinsend ein.

Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek