Berlin. Bei Sandra Maischberger ging es am Mittwoch um die Türkei. Es zeigte sich, wie wichtig es ist, Andersdenkende zu Wort kommen zu lassen.

Im Konflikt zwischen Deutschland und der Türkei setzte bisher immer Recep Tayyip Erdogan auf Eskalation. Beim TV-Duell – und das war der einzige Aufreger in der Debatte – sorgte Martin Schulz dafür, dass sich das ändert: Nicht nur, dass er ankündigte, im Falle eines Wahlsiegs die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden zu wollen. Mit seiner klaren Position

Doch wie kann es so in Zukunft mit der Türkei weitergehen? Bleibt es bei den ständigen Festnahmen deutscher Staatsbürger und bei den Provokationen – nicht zuletzt weil Erdogan sie braucht? Sandra Maischberger brachte das Thema am Mittwochabend im Ersten auf die Agenda.

Ein Erdogan-Anhänger erklärt sich

Bemerkenswert war, dass in der Diskussion ein Erdogan-Anhänger umfangreich zu Wort kam. „Es werden Wahrheiten verdreht und verzehrt“, sagte Tugrul Selmanoglu zu der deutschen Diskussion über die Türkei. Die Behauptung versuchte der 38-Jährige am Beispiel von Deniz Yücel deutlich zu machen. Erstens ähnele die Untersuchungshaft in der Türkei der in Deutschland, befand Selmanoglu. Und zweitens müsse die Anklage nun mal akribisch vorbereitet werden. „Beim NSU-Prozess hat das auch so lange gedauert!“

Zugleich kritisierte Selmanoglu, der sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft hat, dass es kein Verständnis für die Türkei gebe. Der Putsch, die Gülen-Bewegung, Terrorismus – die turbulenten Bedingungen würden nun mal „außerordentliche Maßnahmen“ notwendig machen. „Was hat Ihnen die Türkei getan? Was hat Erdogan Ihnen getan?“, fragte das AKP-Mitglied deswegen empört in die Runde.

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    Wo ist die Heimat?

    In seiner Argumentation glich Selmanoglu vielen Erdogan-Anhänger. Dennoch waren seine Ausführungen interessant. Am Ende nämlich gelang es der Gastgeberin mit Hilfe aus der Runde, die möglichen Hintergründe von Selmanoglus Haltung herauszuarbeiten – und dabei gleich eine Antwort auf die Frage auszugraben, warum nicht wenige Deutsch-Türken von Erdoganüberzeugt sind.

    „Nur eine sehr kleine Anzahl von Türken fühlt sich von Deutschland aufgenommen“, sagte Selmanoglu zu diesem Punkt. Schon im Kindergarten sei er wegen seiner Herkunft auf Ablehnung gestoßen. „Solche Erfahrungen haben sich wiederholt, so habe ich gemerkt, dass man hier nicht so gern gesehen ist, wie andere.“ Und nun dürfe man als Türke nicht mal für Erdogan sein. „Dann heißt es immer gleich: Geh doch in die Türkei.“

    Trotz wegen Ausgrenzung?

    Mit seinen trotzigen Äußerungen bestärkte Selmanoglu die These, dass die erlebte Ablehnung im Integrationsprozess die starke Identifikation von Teilen der türkischen Gemeinschaft in Deutschland mit dem Kurs von Recep Tayyip Erdoganerklären könnte.

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      Unterstrichen wurde diese Annahme in der Diskussion von dem Türkei-Experten Günter Seufert. Gerade konservative Menschen tendierten schnell dazu, die Ausgrenzung zum Anlass zu nehmen, sich stärker mit der anderen Heimat – der Türkei – zu identifizieren, sagte der Politikwissenschaftler.

      Das Fazit

      Zusammenfassend könnte man kritisieren, dass Sandra Maischberger einem Erdogan-Versteher viel Raum gab, um seine Ansichten zu verbreiten. Doch das wäre falsch, denn Selmanoglus Argumente verfingen nicht.

      Dafür wurde umso klarer, woher sie möglicherweise rühren - und dass diese Ursachen nicht unbedingt einem Klischee entsprechen. Von tumbem Nationalismus war bei Selmanoglu jedenfalls nichts zu spüren. Stattdessen wirkte es fast so, als ob die etwas naive Liebe zur Türkei nur bedingt politisch begründet ist und viel mit Deutschland zu tun hat.

      Auf dieser Grundlage hatte die Sendung einen fast schon pädagogischen Charakter. Miteinander reden ist besser als übereinander zu reden. Eigentlich ganz einfach.