München. Der ARD-Film „Ich gehöre ihm“ dreht sich um Loverboys. Es ist ein bewegendes und mutiges Drama – und erschreckend nah an der Realität.

Am Anfang könnte es noch pure Idylle sein: Vater, Mutter und zwei Kinder in einem schönen Haus – eine Szene wie aus dem Werbeprospekt. Doch der Kameraschwenk ins Jugendzimmer des Mädchens lässt ahnen, dass das heile Familienleben nur Fassade ist. Die junge Dame im prallsten Teenageralter führt ein Eigenleben – statt in Schulbücher zu gucken, hockt sie vor ihrem Computer. Ihre Eltern belügt sie. Bis dahin wäre es noch der ganz normale Wahnsinn im Leben einer Pubertierenden. Doch Caro – noch fast ein Kind – wird zur Prostitution gezwungen.

Die 15-Jährige ist abhängig von ihrem Freund Cem (19), der sie ständig mit SMS-Botschaften kontaktiert. Dieser junge, schöne Mann mit Migrationshintergrund ist ein Meister der Verführung. Caro, dieses naive Kind, verfällt ihm mit Haut und Haaren. Doch Cem führt Böses im Schilde.

Hilflosigkeit der Eltern

Er ist ein Zuhälter, ein sogenannter Loverboy. Er beschenkt sie, nennt sie „Prinzessin“, sieht sie mit treuen Augen an – und schickt sie auf den Straßenstrich. Es ist das Ende eines Dramas, in dem das Mädchen zuvor von Cems Freunden verprügelt und vergewaltigt wurde. Ein Film, der bizarr wie zugleich realistisch wirkt – eine Mischung, die im TV selten ist.

Wie das Leben dieses Mädchens aus der Bahn gerät, ist das große Drama in „Ich gehöre ihm“: Schule, Lehrer, Freunde, Eltern – all jene, zu denen sie noch bis eben eine gute Beziehung hat, verlieren komplett den Einfluss. Sie denkt an Liebe und wird Opfer der Manipulation eines Kriminellen.

Film präsentiert keine typischen Klischees

Filmemacher Thomas Durchschlag findet eine Bildsprache, die beklemmender nicht sein könnte: Wie er Caro in Dessous steckt, die das junge Mädchen zu einer grotesken Erscheinung werden lassen. Wie er sie den Freiern zuführt und dabei von den Männern nur Ausschnitte zeigt: grantige Gesichter, schwabbelige Bäuche, Schweiß auf Glatzen. Abstoßende Bilder, die nur eins erzeugen: Mitgefühl.

Dass die Eltern nichts von der Parallelwelt ihrer Tochter wissen, liegt nicht an ihnen: Sie sind nicht die, die klassisch alles versemmelt haben in der Erziehung. Im Gegenteil. Sie hatten immer einen guten Draht zur Tochter. Auch das ist die Stärke des Films, der hier keins dieser vielen Klischees präsentiert.

Durchschlag zeigt das ganz alltägliche Bemühen von Müttern und Vätern, die schon ahnen, dass etwas falsch läuft, aber einfach hoffen wollen, dass schon alles in Ordnung ist. Fast absurd die Szene, als die Eltern ihre Tochter zufällig mit Cem treffen. Sie wollen ihn sympathisch finden, das Positive sehen. Dabei ist ihr Kind gerade auf dem Weg zu einem Kunden.

Anschließende Doku zeigt die Realität

Irgendwann ist das Spiel aus. Die Tochter kommt nicht mehr nach Hause. Maria Simon und Bernd Michael Lade spielen die Verzweiflung so bezwingend authentisch, dass der Zuschauer ihre Hilflosigkeit fast körperlich spürt. Auch Samy Abdel Fattah ist ein Glücksgriff für den Film, da er die beiden Seiten seiner Rolle – charmant wie skrupellos – glaubwürdig herüberbringt. Herausragend ist Anna Bachmann in ihrer ersten Rolle. Eindringlich zeigt sie, wie verführbar junge Mädchen sein können, selbst wenn sie aus einem Haus mit verständnisvollen Eltern kommen.

Fazit: Bewegendes und mutiges Drama über Menschen, deren Leben aus den Fugen gerät. Wie nah der Film an der Realität ist, zeigt die anschließende Doku „Verliebt, verführt, verkauft“.

Mittwoch, 30. August, ARD, um 20.15 Uhr