Berlin. Im „Tatort“ plante ein Arzt aus Afrika, das Ebola-Virus nach Europa zu tragen. Wie groß ist die Gefahr, die von der Krankheit ausgeht?
Plötzlich muss alles ganz schnell gehen. „Koschitz!“, schreit Rechtsmediziner Michael Kreindl; seine Assistentin eilt herbei. „Lassen Sie die Abteilungen und das Labor sperren, ja? Niemand rein, niemand raus! Haben Sie mich verstanden?“
Es folgen weitere Anweisungen: die Telefonnummer der Infektionsabteilung am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital muss her, ebenso die Nummer der Verwaltungsbehörde von Pöllau, der Ortschaft, in der Kreindls Kollegen diesmal ermitteln. „Jetzt stehen Sie nicht so herum“, brüllt der Rechtsmediziner. „Los, los, Koschitz! Das ist weder ein Witz noch eine Übung!“
Toter wollte Tausende in Europa infizieren
Im ersten „Tatort“ der neuen Saison dominiert die Panik. Eine Leiche ist mit Ebola infiziert, jeder, der mit dem Toten Kontakt hatte, könnte sich angesteckt haben. Also setzen die Behörden Pöllau unter Quarantäne. Straßen werden gesperrt, Schulen geschlossen, mögliche Infizierte ausfindig gemacht. Einige Bürger halten die Maßnahmen für überzogen, anderen gehen sie nicht weit genug.
Erschreckend ist schließlich auch, welches Ziel der Tote verfolgte. Der afrikanische Arzt Dr. Kamil Daouda Maka (David Wurawa) plante, tausende Menschen in Europa mit dem Ebola-Virus zu infizieren. Nur so, glaubte er, würde die Krankheit endlich die angemessene Aufmerksamkeit erfahren.
Ebola als Waffe für Bio-Terrorismus? Wie realistisch ist solch ein Szenario? Wie gefährlich ist die Krankheit an sich? Und wie groß ist das Risiko, dass Ebolafieber in Deutschland auftritt? Ein Faktencheck.
Woran erkennt man Ebola?
Der „Tatort“ beginnt in einer NGO-Krankenstation in Guinea. Die Patienten sehen elend aus, schwitzen stark, einige sind von Pocken befallen. Major Bibi Fellner (Adele Neuhauser) trieft später die Nase, ihr Hals schmerzt – erste Anzeichen einer Infektion?
Laut Robert-Koch-Institut ähneln die ersten Symptome tatsächlich einem grippalen Infekt: Fieber, Unwohlsein, Müdigkeit, Gliederschmerzen. „Nach 3 bis 10 Tagen können Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall hinzukommen“, heißt es auf der Website des Instituts. Weitere Symptome seien unter anderem innere und äußere Blutungen, Delirium und Atemnot.
Ein begründeter Verdacht auf Ebola liege aber nur dann vor, wenn man in den letzten 21 Tagen aus betroffenen Gebieten eingereist ist und dort Kontakt mit Erkrankten oder an Ebola Verstorbenen hatte. Bisher ist Ebolafieber ausschließlich in Afrika südlich der Sahara aufgetreten.
Wie infiziert man sich?
Der Sprengmeister Stefan Baric (Vasilij Sotke) schürt im „Tatort“ Hysterie, als er einen möglichen Infektionsweg beschreibt – über den Hund, der an der Leiche geschnüffelt hat, über das Kind, das den Hund streichelt, zu den Eltern und so fort. Hat er Recht?
Das Robert-Koch-Institut schreibt, das Virus werde von Mensch zu Mensch übertragen. „Die Übertragung erfolgt durch direkten körperlichen Kontakt zu Ebolafieber-Patienten oder -Verstorbenen, insbesondere durch direkten Kontakt mit deren Körperflüssigkeiten, z.B. Blut, Speichel, Schweiß, Urin, Stuhl oder Erbrochenem.“
Virusgefahr im Wiener „Tatort“
Für eine gewisse Zeit könne das Virus auch über Gegenstände, die mit infektiösen Flüssigkeiten in Kontakt gekommen sind, wie etwa Nadeln, Kleidung oder Bettwäsche übertragen werden, außerdem bei Kontakt mit infizierten Tieren oder infektiösen Tierprodukten, zum Beispiel bei der Jagd oder der Zubereitung von Wildtieren aus betroffenen Gebieten. Es gebe aber keine Hinweise, dass das Ebola-Virus bei vergangenen Ausbrüchen von infizierten Haustieren auf den Menschen übertragen worden wäre. Auch eine Übertragung durch die Luft sei nicht bekannt.
Wie hoch ist die Sterblichkeit?
Der frühere NGO-Arzt Dr. Albert Reuss (Andreas Kiendl) erklärt Major Fellner im „Tatort“, dass der Tod durch Ebola sechs bis neun Tage nach den ersten Symptomen eintrete. Wie wahrscheinlich ein tödlicher Verlauf ist, hängt allerdings von der Art des Virus ab. Die Sterblichkeitsrate schwankt zwischen 30 und 90 Prozent. Einfluss haben zudem die Qualität und Schnelligkeit der medizinischen Versorgung.
Gibt es einen Impfstoff gegen Ebola?
Im „Tatort“ wird behauptet, dass man sich gegen Ebola noch immer nicht impfen könne. Das ist korrekt. Seit dem bisher größten Ebolafieber-Ausbruch der Geschichte 2014/15 in Westafrika habe man zwei Impfstoffkandidaten erfolgreich in Studien getestet, so das Robert-Koch-Institut. „Sie können hoffentlich in Zukunft zur Eindämmung und bestenfalls Verhinderung von Ausbrüchen genutzt werden.“
Wie hoch ist das Risiko, in Deutschland an Ebola zu erkranken?
In Deutschland tritt Ebolafieber nach Angaben des Robert-Koch-Instituts natürlicherweise nicht auf. „Die Erfahrung mit dem Ebolafieber-Ausbruch 2014/2015 in Westafrika hat gezeigt, dass das Risiko der Einreise eines Ebolavirus-Infizierten nach Deutschland selbst dann sehr gering ist, wenn afrikanische Großstädte mit internationalen Flugverbindungen von einem Ausbruch betroffen sind.“
Prinzipiell könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall ein Infizierter in der Inkubationszeit (zwei bis 21 Tage) nach Deutschland reisen könnte und dort weitere Menschen ansteckte. Es würde sich nach Einschätzung der Experten aber nur um eine geringe Zahl von Personen aus dessen engstem Umfeld handeln.
Eine Weiterverbreitung des Virus in der deutschen Bevölkerung ist laut dem Institut praktisch auszuschließen, da in Deutschland alle Voraussetzungen erfüllt seien, um die Infektionskette zu unterbrechen und die Betroffenen sicher zu versorgen.
Wie hoch sind die Behandlungskosten?
Im „Tatort“ fragt der infizierte Dr. Maka seinen alten Studienfreund Dr. Reuss, was es kostet, einen Ebola-Patienten in Europa zu behandeln. Er schätzt zwei Millionen Euro. Das scheint etwas hoch gegriffen. Im November 2014 entließ die Frankfurter Uniklinik einen Mediziner aus Uganda als geheilt, der sich bei einem Hilfseinsatz in Sierra Leone mit Ebola infiziert hatte. Sieben Wochen rang der Mann mit dem Tod, mehr als 30 Mitarbeiter versorgten ihn täglich. Die Uniklinik bezifferte die Behandlungskosten auf 815.000 Euro.
Was war das „Project Coast“?
Ermittlerin Fellner ist schockiert, als sie erfährt, dass der Tote das Ebola-Virus großflächig nach Europa tragen wollte. „Ebola als Waffe. Das man da nicht schon früher drauf gekommen ist“, wundert sie sich. Dr. Reuss belehrt sie daraufhin eines Besseren und erwähnt das „Project Coast“.
Dabei erforschte die südafrikanische Apartheidsregierung ab 1981 die Aufrüstung des Landes mit chemischen und biologischen Waffen. Dabei sollten auch Angriffswaffen entwickelt werden, etwa Gewehrkugeln mit Krankheitserregern, um Schwarzafrikaner zu töten. Durch den Einsatz verschiedener im „Project Coast“ hergestellter Gifte starben in den 80er-Jahren unter anderem mehrere Kämpfer der südwestafrikanischen Befreiungsorganisation Swapo, wie viele Menschen dem Projekt genau zum Opfer fielen, ist nicht bekannt. Es wurde 1993 eingestellt.